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    Mimuse, Brodowy und die Tiefe im Hintersinn


    In Langenhagen hat wieder das Kabarettfestival „Mimuse“ stattgefunden. Jens Neutag gibt sich in seinem Soloprogramm „Streik ist geil – Aufstehen zur Sitzblockade“ angriffslustig. Mit dem Programm ist er nach „Totalschaden“ seit 2008 unterwegs und es ist immer noch aktuell. Nach Jahren der großen Koalition sieht Neutag Selbstmitleid als Lieblingshobby der Deutschen. Was ihnen fehle, sagt er, sei eine Streik- und Streitkultur. In Langenhagen bot der 37-jährige Kabarettist einen böse-polemischen Abend voller Wortspiele, die es in sich hatten. Statt für einen „Tag der Offenen Tür” wirbt er für einen „Tag des Offenen Wortes”. Gnadenlos sezierte er Wirtschaft, Alltag, Politik.

    Lisa Fitz war mit „Superplus! Tanken und Beten“ in den Theatersaal gekommen und wetterte als stimmgewaltige Kabarettistin aus Bayern gegen den Medienhype bei Katastrophen. Sie hat keinen Bock mehr auf Angst und findet, die würde allein von den Medien geschürt, damit Konzerne davon profitieren. Lisa Fitz forderte zum Denken auf, gut so.

    Eine weitere sichere Bank war Bodo Wartke, der sein neues Programm „König Oedipus“ brachte und alle Rollen der (Comedy-)Tragödie selbst spielte. Ein weiterer alter Bekannter, nämlich David Leukert, war mit seinem Programm „Vom Single zur Kleinfamilie“ ins Daunstärs gekommen. Der Berliner Kabarettist, der den meisten seit Mitte der 90er-Jahre bekannt sein dürfte, beobachtet und fächert verschiedene Möglichkeiten auf: Leben als Single, On-Off-Beziehung, Distanz-Ehe, Patchworkfamilie, Kleinfamilie und Bier mit Bananengeschmack. Themen wie diese sind doch der Rückzug ins Private, auch auf der Kabarettbühne, mag man denken, doch Leukert fällt auch zu diesen „gefälligen“ privaten Themen immer etwas Neues ein. Staatliche Unterstützung ist für Familien allerdings nicht zu erwarten. Hanz Gerzlich forderte hingegen „Geld für alle“, auch wenn das 15 Euro Eintritt kostete. Bei ihm konnte man erfahren, wieso unsere Payback-Karte der Strichcode auf unserer Stirn als gläserner Kunde ist, wie viele Sandwich-Kombinationsmöglichkeiten es bei Subway gibt, warum eBay sauteuer ist und warum Kabarettisten lieber für Applaus als für Geld auftreten. Fazit: das war Ökonomie, die äußerst erheiterte. Kein Wunder, der Mann hat schließlich Wirtschaftswissenschaften studiert, war Referent für Marketing-Controlling bei großen Konzernen und weiß einfach, was Cash-Flow oder Pareto-Optimum sind.

    Auch andere Kabarettisten, die alte „Mimuse“-Bekannte sind, zehren als Kabarettisten von ihren Berufserfahrungen. So soll etwa der messerscharf analysierende Georg Schramm Psychologe gewesen sein, wundert’s wen? Insgesamt zieht Veranstalter Udo Püschel ein positives Fazit: Die Veranstaltungen wurden gut angenommen. Zur „Mimuse“ lässt sich vor allem eins sagen – hier gibt es ein treues Publikum, das seinem Veranstalter oft vertraut. Zu Recht, schließlich hat er ja auch seit Jahren Qualität geliefert.

    Neben den Festivals gibt es in der Hannover-Szene Bühnen, die beständig Wertvolles liefern. Dazu gehört natürlich das Theater am Küchengarten. Hier wird im Mai das „Fohlen von Niedersachsen“ für den Nachwuchs im politischen Kabarett verliehen. Wir passen auf.

    Aufgepasst haben wir auch im Kollmanns, aufsehenerregend war dort allerdings nicht alles. Eines der schwierigsten Dinge auf der Bühne ist es, einen „normalen, durchschnittlichen“ Menschen so darzustellen, dass es interessant ist. Der Hannoveraner Stephan Guddat scheiterte daran. In seinem Stück „Ich bin dann mal da geblieben“ stand eben ein sehr durchschnittlicher Held im Mittelpunkt. Klappte nicht so ganz, das Ganze war so harmlos wie uninteressant, diesen Fehler im Ansatz hätte eigentlich schon die Regie bemerken müssen. Auch die Schrillheit nach der Pause blieb fade. Schade. Aber das nächste Stück kommt bestimmt.

    Unterhaltsam, was Kleinkunst mit Atmosphäre angeht, war das Wintervarieté in der Orangerie der Herrenhäuser Gärten. Dies hatten bereits zum sechsten Mal das GOP Varieté-Theater Hannover und das Festival „Kleines Fest“ ausgeheckt. Unter dem Titel „Bilder einer Ausstellung“ hatte viel Akrobatik, Comedy und Unterhaltung Platz. Karl-Heinz Helmschrot nahm als Museumsführer die Besucher an die Hand und führte sie durch die Ausstellung. Dazu zupfte, strich und klopfte er noch den Kontrabass und die Gitarre. Boris Arquier verband als „Monsieur Gobelin“ die Mimik von Louis De Funès mit dem Charme von Jacques Tatis und war dabei herzzerreißend tollpatschig. Mit seiner Beatbox brachte er außerdem den Drive in die Musik. Am Reifen begeisterte Sportgymnastin Leah Hinz und Romy Seibt interpretierte eigenwillig und expressiv das Bild der russischen Hexe „Baba Yaga“ am Vertikal-Seil. Ein stimmungsvoller Abend.

    Mathias Brodowy hat im Lindener Spezial Club sein 20-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert, und zwar mit Freunden und Familie und zahlreichen Zuschauern. Drei Musiker begleiteten ihn, es wurde ein langer Abend, bei dem es Brodowy-Klassiker im neuen Gewand gab. Auch das Duett mit Detlef Wutschick alias „Werner Momsen“ erheiterte die Zuschauer. Natürlich trat der Hausherr Desimo auf. Brodowy und Desimo konnte man wenig später mit Clown Peter Shub in der Orangerie sehen. Das furiose Trio aus Kabarett, Clownerie und Comedy-Zauberei drehte richtig auf. Man hatte konzentriert geprobt, wobei das Eröffnungslied spontan Brodowys Feder entsprungen ist. Eventuell wird es zu dritt auch eine Tour geben, die Show „Hannover: komisch! – Desimo-Brodowy-Shub.

    „Kleines Fest spezial“ ist hoch empfehlenswert. Auch in diesem Jahr wurde wieder „Der Spezialist“ des Lindener Spezial Clubs überreicht. Ihn bekam im Schauspielhaus die Überfliegerin aus Freiburg, Carmela de Feo, die Comedy, Akkordeon und Interaktion mit dem Publikum zu einer Mixshow verbindet. Außerdem gewann Robert Louis Griesbach, der auch im Quatsch Comedy Club in Berlin zu sehen ist. Und den dritten „Spezialisten“ bekam der Berliner Puppenspieler Sascha Grammel, dessen Charme sich wohl nur die Wenigsten entziehen können. Er ist im April im Theater am Aegi zu sehen.

    Redaktion: Nicola Volckmann

     

     

    Termine

    14.4. Eure Mütter „Ohne Scheiß: Schoko-Eis!“, Pavillon

    17.4. Alix Dudel, „Alles hat kein Ende“, TAK

    30.4., 1.5. Sascha Grammel, „Hetz mich nicht“, Theater am Aegi

    7.5. Volker Pispers, „Bis neulich“, Theater am Aegi

    14./15.5. Matthias Brodowy, „Allergieversion 2010“, TAK

    19.5. Jürgen Becker „Ja, was glaubt ihr denn?“ Pavillon

    27.5. Verleihung Fohlen von Niedersachsen, Kabarettnachwuchs, TAK

    10.6. Rainald Grebe & die Kapelle der Versöhnung, Theater am Aegi

     

     

    2010-03-15 | Nr. 66 | Weitere Artikel von: Nicola Volckmann





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