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    20 Jahre Osten im Westen


    Kurz nach der deutschen Einheit hieß es, dass das Zusammenwachsen etwa 10 bis 15 Jahre brauchen würde. Manche meinten seinerzeit, da müssten doch drei bis fünf reichen. Nun sind zwanzig vergangen und es wird klar: zur Einheit gehören Unterschiede. Wegen der unterschiedlichen Vergangenheit. Auf den Kabarettbühnen wird der Vergleich mit der DDR immer noch ins Feld geführt. Freilich ist Kabarett Kritik, die hat etwas mit Vergleichen zu tun und vergleichen kann man nur mit dem, was man erlebt hat. Vor 10 Jahren war das für die Mitmenschen aus dem Osten vor allem DDR. Der Ost-West-Vergleich war fast unvermeidbar. Nun aber sind weitere 10 Jahre dazugekommen und im Kabarett wird zuweilen noch immer mit der einstigen Republik verglichen. Doch die kannte weder eine Informationsgesellschaft noch die vernetzte Welt oder die Globalisierung. Damit bekommt der Vergleich etwas Prinzipielles, und im Raum steht unausgesprochen der Satz: Am Ende ist die DDR die bessere Republik gewesen. Das ist freilich nicht ganz ernst gemeint. Doch vor einem Publikum mit DDR-Erfahrung vorgetragen, droht es zuweilen Ernst zu werden.

    Aber was ist nun in den 20 Jahren Ost-Kabarett im bundesrepublikanischen Westen passiert? Die bewunderten Protagonisten aus DDR-Zeiten sind zumeist in Rente. Die folgende Generation trägt die Last, die guten alten Kabarettnamen in Ehren zu halten und die darauffolgende Generation macht lieber ihr eigenes Ding und ist in der freien Szene zu finden. Das alte, politisch-satirische Kabarett hat man, um das Publikum nicht zu verschrecken, mehr und mehr mit Unterhaltung gemischt. Vermutlich aber auch deswegen, weil die Recherche dafür heutzutage sehr aufwendig ist. In diesem Sinne ist das Kabarett in Ost und West tatsächlich zusammengewachsen. Oft reichen auf den Kabarettbühnen in der Republik Politikernamen oder Zeitungsüberschriften. In den alteingesessenen Kabaretts im Osten entsteht nun die Frage, ob der Generationswechsel auch mit einem inhaltlichen Perspektivwechsel verbunden sein wird. Spannend ist Kabarett also immer wieder.

    Nun aber zu den academixern. Ihr neues Programm heißt „Sechs Fäuste für ein Halleluja“. Dabei wird der Alltag an den 10 Geboten gemessen. Im Grunde steckt darin die Frage nach unserer Moral. Das ist wahrhaft ein grundsätzliches Thema. Dahinter kann auch der kategorische Imperativ stehen, bei dem Hagen Rether oder auch Georg Schramm ansetzen, um den Gegensatz von Ideal und Wirklichkeit zu verdeutlichen. Die Texte bei den academixern haben Ralf Bärwolff und Peter Treuner geschrieben, und das Ergebnis ist nicht sehr glücklich. Zusammen spielen sie mit Carolin Fischer, die Regie hatte Thomas Puppe. Die Truppe hat ein unterhaltendes und heiteres Programm vorlegen wollen und sich damit übernommen. Denn dieses Thema auf eine heitere Weise auf die Bühne zu bringen, ist eine Aufgabe für die Königsklasse. Das schreit nach Tiefgründigkeit. Aber die academixer haben auf die heitere, leichte Art abgezielt. Der Premiere nach zu urteilen, haben sie sich nicht zwischen Inhalt und Klamauk entscheiden können. Damit wurde es ein halbherziges Programm – weder dem Spaß noch dem Inhalt wurden sie gerecht. Das auch deshalb, weil die einzelnen Nummern oft keine These hatten, über die diskutiert werden konnte. Doch Peter Treuner und Ralf Bärwolff sind längst in die Bütt gegangen, um das Programm zu überarbeiten. Man darf also hoffen.

    Das andere Programm, das zu besprechen ist, hat die Überschrift „Egoland“ und wurde von der Herkuleskeule vorgestellt. Die Texte haben Wolfgang Schaller, Peter Ensikat und Philipp Schaller geschrieben. Eingerichtet hatte das Ganze Jost Kittel. Auf der Bühne stehen Brigitte Heinrich, Gloria Nowack, Dieter Nier und Michael Rümmler. Wieder ist ein großes Thema aufgeschlagen worden: der Egoismus in der Gesellschaft. Dem bleibt man auch treu, spielerisch allemal, aber inhaltlich nicht so ganz. Man macht es dem Publikum gar zu leicht. Ein Beispiel: Michael Rümmler singt das Lied eines gnadenlos ich-bezogenen Mitbürgers, das ist alles auch sehr schön, bis er sich mit einer knappen Geste am Ende von seiner Figur distanziert. In bisschen nehmen sie das harte Thema zu leicht. Beeindruckend ist wieder einmal die Musik von Jens Wagner und Volker Fiebig.

    Einen neuen Preis gibt es – die Meißner Drossel. Ein Preis, der die ganz jungen Vertreter von Lied und Chanson unterstützen will, bis zum Alter von 27 Jahren. Das ist ein mutiges Unterfangen, denn auf den ersten Blick muss man da schon suchen. Aber der Initiator Peter Braukmann, Medienexperte und langjähriger Musiker zwischen Folk und Lied, ist zuversichtlich, und der Schirmherr ist kein Geringerer als der Oberbürgermeister der Stadt. Der Preis ist deutschlandweit ausgeschrieben und wird erstmals am 7. und 8. Mai öffentlich gewählt und verliehen. Die Trophäe selber ist aus Meißner Porzellan, und verbunden ist der Preis mit Auftrittsmöglichkeiten, die für die jungen Künstler von großem Wert sein können.

    Redaktion: Harald Pfeifer

     

     

    Termine:

    01.04. Magdeburger Kugelblitze: „Nichts verstanden“

    20.04. Herkuleskeule: „Morgen wars schöner“

    2010-03-15 | Nr. 66 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer





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