„Das sieht ja aus wie auf dem Merianplatz in Frankfurt“, sagt eine Zuschauerin verdutzt zu ihrer männlichen Begleitung und sieht sich das merkwürdige Ambiente noch einmal von nahem an. Auf der Bühne der Kulturscheune im Selzerbrunnenhof in Karben ist ein wahrhaftiges Wasserhäuschen (für Nichthessen: Ein Kiosk mit Getränkeausschank) aufgebaut. „Sink Big“ ist der Name eines ungewöhnlichen Theaterstückes, in dem dieses Bühnenbild eine „tragisch-tragende“ Rolle spielt und mit dem sich das Frankfurter Mimentheater „Die Traumtänzer“ in der Veranstaltungsreihe der Kultur-Initiative-Karben (kik) präsentierte. Das Wasserhäuschen ist die Heimat der drei Obdachlosen Edith (Hildegard Nied), „Flirt-Heinz“ (Jörg Zick) und „annerer“ Heinz (Michael Kaiser). In liebevoll chaotischer Abhängigkeit voneinander wird mit Flüssignahrung - Bier und Korn - gefrühstückt, gestritten, geflennt und vor allem von besseren Zeiten erzählt. Die seltsame „Menage à trois“ der drei Traumtänzer-Figuren ist gefühlvoll karikiert, aber niemals überzeichnet. Nied, Zick und Kaiser präsentieren die so unterschiedlichen Charaktere derer, die allesamt am „normalen“ Leben scheiterten, präzise ausgefeilt und so lebensnah, dass das Publikum unentwegt zwischen Rührung und Lachen schwankt. Zu Lachen gibt es im Stück dennoch genug. Zum Beispiel, wenn Edith bei ihrer Morgentoilette die Zähne mit einer großen Bürste säubert, das dazu verwendete Wasser wieder sorgfältig in eine Weinflasche zur weiteren Verwendung spuckt und sich anschließend mit der Bürste die Schuhe säubert. „Sink Big“ ist faszinierendes Theater mit Sinn für Humor und nachdenklich stimmendem Hintersinn.
Aus Hessen stammen auch verschiedene „Männers“, die Helden und Antihelden im aktuellen Programm des Kabarett-Duos Faberhaft Guth. „Männers“, im allgemeinen und von nahem besehen, bieten nach Meinung von Dietrich Faber und Martin Guth genug Stoff für eine Daily-Soap - also hat das Duo sein Programm kurzerhand mit dem Untertitel „Die Kabarett-Soap mit dem kleinen Unterschied“ versehen. In der Stadthalle Langen präsentierten die hessischen Herren vielfältige Charaktere und rasante Parodien, die das Leben vorschreibt. Als roter Faden dient den Kabarettisten dabei die Seifengeschichte der Metzgerfamilie Wuppner. Im fliegenden Wechsel vermischen sich diese Figuren mit anderen Persönlichkeiten, die einem, wenn nicht in der Nachbarschaft, dann vielleicht im Fernsehen begegnen. Da mimt Guth einen wortreichen Vertreter für Barbie-Puppen, die vom begnadeten Parodisten Faber dargestellt werden. Petzi und Schoppe, zwei Figuren, die auch schon in den Nummern-Programmen von Faberhaft Guth eine tragende Rolle spielten, tauschen Stammtisch-Neuigkeiten aus. Flori, der Metzgersohn, besucht eine Stillgruppe für Männer, „wir machen jetzt alle mal gemeinsam einen Eisprung“, und auch Reinhard Mey, Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer wirken mit beim bunten Verwirrspiel. Wenn bei Faberhaft Guth der personifizierte Herrenwitz (Guth) auf ein Sonnett (Faber) trifft, bedient der Witz im wahrsten Sinn des Wortes das Klischee und die Pointe schwächelt beim Versuch, das vollgepackte Tablett zu halten. „Männers“ ist ungewöhnliches Kabarett-Theater, allerdings ist es nicht einfach, den verschachtelten Geschichten zu folgen. Die Metztgerfamilie Wuppner hat zu wenig Gelegenheit, sich ins Spiel einzumischen, um dem Ganzen einen festeren Rahmen zu geben. Aber wie heißt es so schön im Programmheft des hessischen Duos: „Sollten sie dem Geschehen nicht mehr folgen können, machen sie sich keine Sorgen - es geht uns genauso“.
Dem Geschehen folgen, aber nichts begreifen, konnten die Zuschauer, als sich das Zauber-Duo Anam Cara im Thalhaus in Wiesbaden anlässlich des kleinen Mittwochs-Varietés die Ehre gab. „Backstage“ heißt das neue Programm der beiden Schweizer Christoph Borer und Michel Gammenthaler. Wie auch im ersten Programm des Duos sind die Rollen festgelegt: Christoph ist „Monsieur“, Zaubererkünstler auf Tournee, Michel sein fröhlicher Gehilfe. Das Bühnenleben der beiden spielt sich auf der Hinterbühne ab, Showraum ist bei „Anam Cara“ die Garderobe. „Backstage“ brechen die Protagonisten mit dem üblichen Varieté-Flair der Zauberkunst. Mehr darüber gibt’s von Andreas Michel-Andino in der Rubrik Zauberkunst.
Das Wiesbadener Thalhaus ist übrigens eine Bühne mit wunderschönem Flair. Der geschmackvoll gestalteten Thekenbereich und auch das sehr gemischte Programm auf der kleinen, aber feinen Bühne sind vielversprechend und zeugen vom Engagement der ehrenamtlichen Macher. Reinschauen lohnt sich!
Ebenfalls reinschauen sollten Besucher in das Theater „Fesche Keller“ im Wetterauer Ortenberg, nämlich, um sich von Theatermann- und Leiter Hans Schwab und seiner Frau Ronka Nickel zu verabschieden. Im März 1988 feierte das Paar im eigenen Haus Eröffnung, Ende Juni 2002 wird die Leitung des Fesche Keller an würdige Nachfolger übergeben. Eine ausführlichere Berichterstattung über die dieselbigen und die zukünftigen Pläne des Ehepaares Schwab/Nickel folgt!
Vorblicke
Bis zum Leitungswechsel - und sicherlich auch noch danach - gibt es einige spannende Events im Ortenberger Theater Fesche Keller zu sehen. Hans Schwab selbst präsentiert sich am 1., 2., 6., 8., 9., 13., 15. und 16. März unter dem Titel „Schaurig...schön“ um jeweils 20.30 Uhr mit Melodramen und Balladen um Liebe, Leid und Lust auf der Bühne. Im Dorfgemeinschaftshaus Ortenberg-Bergheim ist auf Einladung des Fesche Keller am Sonntag, 17. März, 18. Uhr, Arnulf Rating mit „Knapp Daneben“ zu Gast. Und im Mai statten dann Tina Teubner sowie Herr Thiel und Herr Sassine der Wetterau und dem Fesche Keller einen Besuch ab. Weitere Informationen gibt’s unter der Telefonnummer (06046) 7760 und E-Mail theater@fescheKeller.de.
Im Wiesbadener Thalhaus heißt es am Mittwoch, 6. März, 20 Uhr, „Jazz im Löwenherz“ mit dem Axel Grote Quartett. „Kabarett und Blues & Ballads - im Doppelpack“ bieten Uli Masuth und Blue Age am Samstag, 9.März um 20 Uhr. Zudem veranstaltet das Thalhaus am Mittwoch, 17. März, 20 Uhr, wieder ein kleines Mittwochs-Varieté, diesmal mit Julia und Rix. Am Donnerstag, 20. März, 20 Uhr, wird dann ein Improtheatermatch der Wiesbadener Gruppe Subito und den Kanadiern Rapid Fire Theatre geboten. Infos unter Telefon (0611) 1851267 und www.thalhaus.de.
Also, auf zu alten und neuen Kleinkunstbühnen - im Rhein-Main-Gebiet und anderswo!
Viel Spaß dabei wünscht
Christine Krebs 2002-03-15 | Nr. 34 | Weitere Artikel von: Christine Krebs