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  • Themen-Fokus :: Clown | Mime

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    Der Humor fängt da an, wo der Spaß aufhört.

    „Die Ankunft eines guten Clowns in einer Stadt ist wertvoller als 30 mit Medikamenten beladene Esel.“ Als ich dieses alte orientalische Sprichwort das erste Mal gehört habe, hat es mich sofort berührt, denn es beschreibt auf zutreffende Weise die besonderen Eigenschaften, persönlichen und gesellschaftlichen Funktionen des Clowns.

    Tauchen wir ein in dieses poetische Bild des Wanderers. Sie alle kennen es: Wir sehen den Clown unterwegs, nirgends zu Hause und überall daheim.

    Er ist ein Mittler zwischen den Welten. Ein professioneller Perspektivenwechsler.

    Clownschule Uli TammUnd wenn er sein Publikum ermuntert, mit ihm zu spielen, sehen wir die Welt durch die Augen des Clowns. Er weckt in uns eine alte, verloren gegangene Lust, die Dinge auf den Kopf zu stellen und einmal aus einer anderen Perspektive anzuschauen.

    Auch wenn das Spiel des Clowns so einfach aussieht, steckt dahinter eine intensive Auseinandersetzung.

    Am meistens fasziniert mich die Einfachheit des Clowns. Mit wenigen Mitteln berührt er das Wesentliche der menschlichen Sehnsüchte, Hoffnungen und Zweifel. Deswegen ist er auch ein Meister der Form.
    Trotzdem ist der Clown mehr als eine bloße Kunstfigur. Er steht für eine Art und Weise, die Welt zu sehen, zu kommunizieren und zu handeln.

    Clown-Sein ist somit auch eine Lebenseinstellung.

    Wenn man sich den kulturhistorischen Zusammenhang und die Geschichte des Clowns, des Narren, des Hanswurst, bis hin zu der schamanistischen Figur des Coyote- Tricksters anschaut, wird die besondere gesellschaftliche Funktion des Clowns deutlich.

    Uns interessieren deshalb der klassische Clown in seiner Rolle als eine wesenhafte Figur und der poetische Mime genauso wie der moderne Comedian und Komiker.

    Darüber hinaus ist der Clown nicht nur im Zirkus, auf der Bühne und bei Events zu Hause, sondern auch in Krankenhäusern und Sterbehospizen.

    Immer ist er eng mit seinem Publikum verbunden, und alle Figuren überschreiten spielerisch die Grenzen und haben innerhalb eines gesellschaftlichen Gefüges eine transformierende Funktion.

    stäx rhythm clownDiese vielfältigen Eigenschaften und facettenreichen Bedeutungen stellen ebenso anspruchsvolle Anforderungen an die Ausbildung eines Clowns. Um diese transformierende Funktion auf der Bühne oder in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen erfüllen zu können und das Wesen und die Sichtweise des Clowns zu vermitteln, bedarf es einer individuellen Figur und einer großen handwerklichen Kenntnis der benötigten Techniken und Formen. Durch die Verbindung des individuellen künstlerischen Ansatzes mit der Kenntnis traditioneller Formen der Clownerie, des Schauspiels, der Commedia, der Pantomime, Artistik, Musik und Stimmbildung hat man die Voraussetzungen für einen professionellen Clown.

    Um in unserer Ausbildung handwerkliches Können zu vermitteln und gleichzeitig eine Künstlerpersönlichkeit zu fördern und formen unterteilt sich unsere Clownausbildung in zwei Bereiche.

    Ich nenne diese beiden Bereiche das Hand- und das Herzwerk des Clowns:

    Die Ausbildungseinheit „Handwerk“ beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Vermittlung der verschiedenen Techniken der clownesken Körpersprache, der Improvisation mit Requisiten und Objekten und des differenzierten Spiels mit dem Partner und dem Publikum. Die andere Ausbildungseinheit widmet sich der Figurenentwicklung, aufbauend auf der persönlichen Erfahrung über das Wesen des Clowns.

    Die Vermittlung des „Hand- und Herzwerks des Clowns“ gründet auf der klassischen Methode des Vormachens und Nachmachens, vor allem in Bezug auf das „Handwerk“, und was das „Herzwerk“ betrifft, spreche ich von einer Art „Fährtenlegen“, um die Schüler zu ihrer eigenen Clownfigur zu führen.

    Schauen wir zunächst auf das Handwerk:

    Neben den Fächern Pantomime, Schauspiel, Artistik, Stimme und Musik gibt es eine explizite Clownausbildung, wobei die Schüler in systematisch aufeinander aufbauenden Ausbildungsschritten das Handwerk der Komik erlernen.

    Ich nenne diese Phase der Ausbildung etwas poetisch „die fünf Räume des Lachens“.

    Damit unterscheide ich fünf verschiedene Spieltechniken der Komik.

    Wie bereits erwähnt geht es um die unterschiedlichen Techniken des mimischen Spiels, des Spiels mit Objekten und um die verschiedenen Arten des Zusammenspiels mit dem Spielpartner und dem Publikum.

    Einige Beispiele

    Ausgehend von den erlernten clownesken Spielregeln werden in angeleiteten und freien Improvisationen die spontane Umsetzung der Formen und das Zusammenspiel eingeübt.

    Auf der Basis der erlernten Formen und Etüden entwickeln die Auszubildenden eigene Montagen, Nummern und Szenen.

    Die professionellen Spieler und Spielerinnen sind somit in der Lage, mit ihrem Körper, mit jedem Objekt, jeder Situation und mit jedem Partner spontan zu improvisieren oder eine vorher festgelegte Nummer exakt zu wiederholen.

    Nun kommen wir zum so genannten „Herzwerk“ des Clowns: Die Ausbildungseinheit „Das Wesen des Clowns“ beginnt mit einer Phase der Erfahrungsarbeit. Die Phase dauert 6 Monate.

    Das Wesen des Clowns gründet meiner Meinung nach auf dem Inneren Kind, dem Tier und dem Dorfdeppen.

    Der Clown ist eine uralte Figur, die in allen Gesellschaften vorgekommen ist. Er ist somit auch eine Gestalt, die jeder in sich trägt und die geweckt werden muss.

    Die Gestalt des Clowns hat sich über die Jahrhunderte immer wieder verändert. Und dennoch gibt es kein Vorbild für den individuellen Clown, der in jedem von uns verborgen ist.

    Auch wenn man immer wieder dieselben Themen und Parallelen im Aussehen feststellen kann, wäre es sinnlos, den persönlichen Clown an solchen Vorlagen ausrichten zu wollen. Der Clown kann demnach nur entdeckt oder befreit werden, und die Gründe für das eigene Spiel kann man nur erfahren. Auch wenn wir mit der Ausbildungseinheit Handwerk des Clowns den Spielern und Spielerinnen ausreichend vielfältige Formen und Spielregeln vermitteln, ist das Wesen des Clowns nur erfahrbar.

    Bei dieser Form der Ausbildung sind die angehenden Clowns extrem gefordert, denn es geht um die persönlichen Themen und darum, zu dem ureigenen Ausdruck zu finden.

    Ich sage dann oft: Der Humor fängt da an, wo der Spaß aufhört.

    Aus diesen Grundlagen können wir eine Figur herausschälen und zusammensetzen. Allmählich formt sich daraus eine Kunstfigur, die sich den klassischen Vorbildern annähern kann.

    Die angehenden Clowns durchlaufen somit alle Stationen des Hand- und Herzwerks und der kreativen Auseinandersetzung, die nötig sind, um professionell auf der Bühne zu arbeiten. Einmal im Monat findet eine öffentliche Bühnenpräsentation in der Schule für Clowns statt. Die Auszubildenden haben dabei die Gelegenheit, neue, selbst erarbeitete Etüden, Szenen und Nummern einem Publikum zu präsentieren.

    Redaktion: Michael Stuhlmiller, Schule für Clowns/Mainz

    AdNr:1007, AdNr:1003 

    2006-03-15 | Nr. 50 | Weitere Artikel von: Michael Stuhlmiller





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