10 Tips zum Schreiben von Comedy für Buch und Bühne
Ein Interview für Trottoir-online von Kassandra Knebel mit Andrea Volk.
Kassandra Knebel: Vorab zu deiner Person. Wie lange machst Du schon Comedy? Und was hast Du vorher gemacht?.
Andrea Volk: Auftritte als Klassenclown und Familienpunk mitgerechnet 40 Jahre. Die Textliebe kommt von meiner Arbeit als Journalistin, die Bühnenerfahrung vom Theaterspielen. Aber in Punkto
Comedy bin ich ein Spätzünder, hab‘ erst vor 12 Jahren auf poetry slam Bühnen angefangen und war hin und weg, dass das funktioniert, dass Leute lachen, dass Leute es lieben, vorgelesen zu bekommen. 2005 war ich dann schon eine Abgesandte für Köln beim „German national Slam“ (oder so ähnlich… wie ein L-Springturnier, ich weiß es nicht mehr). Wir schliefen alle in Jugendherbergen, aßen 3 Tage Brötchen und traten in komischen Spelunken auf, es war toll. Nebenher habe ich immer Geld verdient; 2005 war auch das Jahr indem ich anfing beim Teleshopping Handtücher im Fernsehen feilzubieten. Parallel lernte ich die tolle Sängerin Nina Knecht kennen. Ihr derzeitiger Manager, ein merkwürdiger Hutzelmann mit mehreren Handys am Gürtel und einer Weste, auf der Noten abgebildet waren (dieses Bild hat sich auf meine Netzhaut gebrannt), machte uns miteinander bekannt und wollte, dass wir zusammen auftreten. Später stellte sich heraus, dass er in erster Linie in die Garderobe glotzen wollte. Das war die Geburtsstunde von ‚Volk und Knecht‘, also unserem Comedy-Duo und ab 2006 bespaßte ich die Welt dual: Als Texterin und 2. Stimme von ‚Volk und Knecht‘ und als lebender Bademantel bei QVC. 2011 war dann beides erst mal vorbei: Nina bekam ein Baby und meine Produktlinie bei QVC ging zu Ende.
Ich tat das einzig vernünftige: Ich schrieb ein Buch, kaufte ein Pferd und begann meine Solokarriere.
So schreibt man Comedy für Buch und Bühne - 10 Tips von Comedy Fachfrau Andrea Volk
1. Der Anfang. Wie kommst Du auf die ersten Ideen? Wie beginnst Du zu schreiben? Was kommt zuerst auf´s Papier?
Die Ideen kommen zu mir. Ich rate jedem und jeder, die schreiben möchte, einen Zettel oder
ähnliches bei sich zu führen. Manchmal notiere ich irgendwas auf Zigarettenpackungen,
Bierdeckeln, Rückseiten von Briefumschlägen. Absurde Kleinigkeiten, Aussprüche, bescheuerte Werbungen. Auf meiner „Scheiß-Werbetexte-Liste“ aktuell Platz 1:
zahnspruchsvoll; Gott im Himmel…) Dann denkt man noch über den letzten Zahnarztbesuch nach und schon entsteht eine Geschichte… Alles in eine Datei tippen; diese Datei wachsen lassen, thematisch sortieren --- und schon kristallisiert sich ein Plot, eine Story heraus.
Alles, was nicht passt, beiseite legen. Vielleicht kann man es später brauchen. Frisst ja kein
Brot…
2. Die Story | Der rote Faden. Wo kommt die Story her? Ist sie bei Comedy Programmen überhaupt wichtig?
Ich finde einen roten Faden wichtig. Damit der Zuschauer oder Leser folgt, muss er oder sie
interessiert sein, wissen was Du erzählst. Also fokussiere Dein Thema und wie Du es umsetzt und gliederst.
3. Die Dauer. Wie lange schreibst Du an einem Buch? Wie lange an einer Show?
Bei beiden Formaten 1-2 Jahre. Aber von meinem Schlusspunkt bis zum Erscheinen des
Buchs vergeht fast ein Jahr, Lektorate, Grafik, Vertrieb, alles braucht Zeit.
4. Die Ähnlichkeiten. Welche Arbeitsgänge sind bei Bühne und Comedy gleich?
Stoffsammeln. Thematisch sortieren. Thema fokussieren, von allgemeinem blabla auf
Punktgenauigkeit, Deduktion. Kapitelstruktur und Spannungsbogen überdenken. Was passiert
im 1. Kapitel bzw. am Anfang der Show? Die ersten Minuten auf der Bühne, die ersten Sätze
im Buch sind entscheidend für den Entschluss des Rezipienten bei Dir zu bleiben.
Dann überarbeiten. Noch zehnmal überarbeiten. Meinungen einholen. Kritik professionell
annehmen (also einen Schuldigen finden), Wunden lecken, Krönchen gerade ziehen,
weitergehen. Und nun kommt das allerwichtigste; möglicherweise entscheidende für den
Erfolg: DER TITEL.
5. Der Titel. Was ist wichtig bei der Titel- Suche?
Man muss sich von Ideen trennen: Mein Eichborn-Buch z.B. (Jetzt tanzen alle Puppen) hatte den Arbeitstitel „Mein Backstage ist das Behinderten-Klo“. Die Marketingleute waren dagegen. Mein 3. Buch, erschienen bei Heyne, „Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu – Unglaubliches aus der Welt des Teleshoppings“ hieß bei mir sachlich-argumentativ: „Im Paradies der Blöden – das Teleshopping-Schwarzbuch“. Habe ich auch nicht durchgekriegt. Und mein aktuelles Reiseprogramm hieß „SchwarmBlödheit“. Aber nach den ersten Tests haben wir uns dann auf „Juhu, wir verreisen – 100% UrlaubsComedy“ geeinigt. Tut weh, aber - wie gesagt manchmal muss man sich von Ideen trennen. Mit meinem derzeitigen Buchtitel „Auf den Hengst gekommen“ bin ich das erste Mal glücklich.
6. Die Arbeitsgänge. Was kommt zuerst und was danach? Arbeitest Du Schicht für Schicht - vom Knochen zum Fleisch? Oder eher wie ein Mosaik - Stück für Stück und fügst es dann zusammen?
Hier unterscheide ich für mich zwischen Buch- und Bühnenschreibe.
Bei einem Buch vergleiche ich mich immer mit einem Schreiner, vielleicht weil ich mal ein
Praktikum gemacht und einen Tisch gebaut hab. Heißt, zuerst das richtige Holz auswählen (handelnde Figuren; aber auch Genre: Krimi, Liebesdrama, Lyrik?). Alles ordnen (Datei/Unterthemen). Ich arbeite an zwei Monitoren an meinem Rechner, meist liegt links die Datei „Stoffsammlung“, die ich irgendwann grob sortiere nach einem Timetable, mit der einfachen chronologischen Abfolge der Ereignisse.
Dann lege ich die Kapitelstruktur fest - mit Vor-und Rückgriffen. Daher ist das Timetable
wichtig. Sonst stimmen auf einmal die Jahreszeiten oder Wochentage nicht.
Eine dritte Datei, meist ausgedruckt oder auf dem Laptop, beschreibt die handelnden Figuren: Grobe Biographie, wie sehen sie aus. Sonst ist eine brünette Nebenfigur aus Kapitel 1 in Kapitel 7 auf einmal blond.
Jeder arbeitet da anders, aber ich finde es leichter, wenn man wie ein guter Handwerker
vorgeht; also Ordnung hält, ein Gerüst baut und dann die Kapitel grob mit Fakten füllt. Dann
sieht man, wo es vielleicht langweilig werden könnte.
Dann geht es ans schleifen, an die Intarsien, ans Lackieren und Ölen. Spart im Nachhinein
unendlich viel Arbeit.
7. Die Gags. Comedy lebt von Gags, aber braucht ein Buch viele Gags?
Beim Vorlesen lehnen sich die Zuschauer zurück, lassen sich auch auf mehr gedrechselte
Worte, Spielereien, Beschreibungen oder berührende Szenen ein. Umso schöner, wenn dann
ein überraschender Gag kommt. Ich liebe das Spiel mit Text. Comedy ist ein bisschen
schlichter, fordert mehr Hau-drauf. Comedy ist quasi der kleine ungezogene Bruder von
einem lustigen Buch.
8. Verlag und Veranstalter - die Vermarkter des Produktes. Was ist wichtig?
Ich bin ein großer Freund von Festgagen. Aus dem einfachen Grund, weil ich Veranstalter in
die Pflicht nehmen möchte. Bei der katastrophalen finanziellen Lage der Kommunen im
Bereich der Kultur und der Flut von Comedians werden die Bedingungen immer schlechter.
Manche Veranstalter sagen „wir teilen den Eintritt und sieh zu, wie Du Deine Fahrtkosten
begleichst.“ Das sehe ich nicht ein. Wenn ein Veranstalter eine Grundgage zahlt, ist das a)
Brot, aber auch b) die Gewissheit, dass er oder sie ordentlich die Werbetrommel rührt.
9. Pro Was macht Spaß?
Der Exkurs in Phantasie-Welten macht irre Spaß.
10. Contra Und was ist richtig harte Arbeit?
Der Anfang und das fünfte Überarbeiten sind manchmal hart. Diszipliniert dranzubleiben ist
auch nicht immer einfach…Oder seinem Liebsten erklären zu müssen, dass die Tür mal zu
bleiben muss... Schreiben ist eine eifersüchtige Geliebte..
Weitere Infos und alle Termine auf: andreavolk.de
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Pentagon, Leverkusen
23.4.2015 LevLiest: „Auf den Hengst gekommen“
Franz, Aachen
15.4.2015 "Reisecomedy"
Stollwerck, Köln
29.4.2015 "Teleshopping macht sexy"n
Pantheon Casino, Bonn
30.4.2015 "Reisecomedy - 100% Urlaubs-Comedy"
Redaktion: Kassandra Knebel