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    Pulsierende Zauberszene

    Es tut sich was in der deutschsprachigen Zauberszene:

    Da wäre zunächst einmal die Geburt eines neuen Stars im Warner-Brother-Movieworld-Park bei Bottrop. Jan Rouven heisst der noch sehr junge Künstler, der dort mit einer von den Magic-Orvellis produzierten Show in der letzten Saison täglich bis zu 8000 (!) Menschen begeisterte und dabei fast jedes Mal eine Standing Ovation erhielt. Unterstützt von einem Ballett zeigte er dreimal täglich (in der Hauptsaison) im Kostüm des Westernhelden Maverick eine gelungene Mischung aus interessanten und teilweise neuen Großillusionen mit Sprechzauberei und Publikumsanimation. Interessant ist dabei vor allem, dass er sich bereits einen richtigen kleinen Fanclub erzaubert hat und es Menschen gibt, die sich diese Show mehrere hundert mal (!!) angesehen haben. In der kommenden Saison wird er wieder dort zu sehen sein und auch wer Freizeitparks nicht mag (der Park selbst wird Gegner nicht bekehren) dürfte von der Show durchaus angetan sein.

    Auch das Eröffnungsprogramm des neuen GOP-Varietés in Bad Oyenhausen im wunderschönen Kaiserpalais war voll gepackt mit hervorragender Zauberkunst. Da wäre als erstes der Conférencier Juno, der wirklich zauberhaft mit seinem berühmten "roten Faden" durch das Programm führte. Dabei vergisst er aber über der eigenen Wirkung keineswegs die liebevolle Ansage der Künstler und auch deren Absage, die leider so viele Moderatoren vernachlässigen. So wurde Juno wirklich zu einem überaus sympathischen Begleiter durch dieses Programm, dem der Brückenschlag zwischen Bühne und Publikum überzeugend gelang. Über den französischen Jungstar Gerald Le Guilloux möchte ich dagegen nicht viel sagen, weil seine Nummer zwar durchaus spektakulär ist, aber sein Umgang mit den Tieren aus meiner Sicht schlichtweg indiskutabel! Frank Rossi dagegen ist zwar gar kein Zauberer, sondern einer der besten Bauchredner, die ich jemals gesehen habe, aber ihm gelingt wesentlich eher die Verzauberung des Publikums als so manchem "richtigen" Vertreter dieser Zunft. Und Illusionen erzeugt er ebenfalls - und zwar perfekt. Das Entscheidende bei Frank Rossi ist aber die einmalige Atmosphäre seiner Vorführungen, vor allem bei Jacky, dem stotternden Kind, mit dem er ein Lied singt, um ihm die Angst zu nehmen. Ich denke, dass diese Nummer weltweit einmalig sein dürfte und auch die Stimmung, die sie jedesmal im Publikum verbreitet. Das ist wahre Verzauberungskunst!

    In Koblenz ging im November das zweite vom Verfasser dieser Zeilen organisierte Zauberfestival über die Bühne der Kulturfabrik. Diesmal waren es ausschließlich Mitglieder des Ortszirkels Koblenz, die in einer Kindervorstellung am Nachmittag und einer abendlichen Gala mit sieben Darbietungen das zahlreich erschienene Publikum in ihren Bann zogen. Nur einer der Auftretenden gehörte vor seinem Auftritt noch nicht zum Magischen Zirkel Koblenz - hinterher aber schon, denn Tullino absolvierte mit seinem Auftritt gleichzeitig seine Aufnahmeprüfung in den MZvD (Magischer Zirkel von Deutschland) und konnte beim Finale bereits aufgenommen werden. Die Jury hatte in der Pause grünes Licht dafür gegeben. Das Wichtigste bei dieser Veranstaltung ist aber ihr Zweck, denn der Erlös von 3000,- DM ging an die Beratungsstelle für ausländische Flüchtlinge der evangelischen Kirche in Koblenz.

    Im Dezember hatte ich dann das Vergnügen gleich bei noch einer sehr gut von Wittus Witt, dem neuen Herausgeber der "Magischen Welt", im Düsseldorfer Kom(m)ödchen organisierten Benefizveranstaltung mitwirken zu dürfen. Diesmal ging es um die Förderung der Mukoviszidose-Forschung, für die Juri Obrezkov, Michelle Spillner, Jörg Alexander, Andino, Chess Litten und natürlich der Organisator Wittus Witt, der auch zusammen mit Christine Westermann durch das Programm führte, einen tollen Abend gestalteten. Ja, Sie haben richtig gelesen: Von den insgesamt sechs zauberisch Mitwirkenden waren tatsächlich zwei Frauen! Und diese waren natürlich nicht etwa als Assistentinnen auf der Bühne, sondern zauberten solo, genau wie ihre männlichen Kollegen. Es gibt sie also doch, die zaubernden Frauen! Man muß sie halt nur suchen, was Wittus Witt dankenswerter Weise getan hatte. Als wir aber auf die Frage eines Zuschauers hin nachzählten, wer von uns die Zauberei als Beruf ausübt, mussten wir feststellen, dass dies nur die männlichen Mitwirkenden waren, diese aber alle! Die beiden Damen haben beide noch "anständige" Berufe, denen sie auch nachgehen, obwohl ihre Darbietungen natürlich nicht weniger professionell waren. Sollte uns das wieder zu denken geben?

    Und dann startete das Jahr gleich noch mit einer zauberhaften Großveranstaltung in Sindelfingen. Dort trafen sich nämlich 800 Zauberkünstler zum dritten Dreiländerkongress. Der erste Kongress der Zauberervereinigungen von Deutschland, der Schweiz und Österreichs fand 1995 in Salzburg statt. Im Jahr 1998 war dann Zürich an der Reihe und nun war es Sindelfingen, wo sich schon seit einigen Jahren die Zauberkünstler des süddeutschen Raums zum Jahresbeginn zu einer Zauberbörse treffen. Auch dieses Großereignis nun wurde von Andy Häusler hervorragend organisiert. Die Teilnehmer, die nicht nur aus den deutschsprachigen Ländern kamen, sondern auch aus den Nachbarstaaten,  sowie England, Amerika und Japan angereist waren, erlebten eine schöne Eröffnungsshow, interessante Seminare und Vorträge, ein Galadiner mit anschließendem Bühnenprogramm, einen spannenden internationalen Show-Wettbewerb und zwei sehr gelungene Galashows. Die 45 (!) Zauberhändler der magischen Messe waren vielleicht sogar fast zu viel für die Teilnehmerzahl, aber diese freuten sich natürlich über das reichhaltige Angebot. Zauberhafter konnte das Jahr wohl kaum beginnen!

    Programme, Bücher, Wettbewerbe

    Werne, die kleine Stadt im Ruhrgebiet zwischen Dortmund und Münster, scheint sich zu einem neuen Zauberzentrum zu entwickeln, fand hier doch im März bereits der zweite Autorentag des sic!-Verlags statt. Diesmal war der Veranstaltungsort zweigeteilt: In einem evangelischen Gemeindezentrum gab es tagsüber verschiedene Seminare, eine Podiumsdiskussion, eine kleine Händlermesse sowie Mittagessen und Kaffee und Kuchen im Preis inbegriffen und alles unter einem Dach! Am Abend ging es dann zu Fuß ins nahegelegene Kolpinghaus zu einer ausverkauften Gala. Besonders beeindruckend war für mich mal wieder der Altmeister Salvano aus Polen, der in einem überaus interessanten Seminar (in hervorragendem Deutsch!) und seiner berühmten Nummer in der Gala brillierte.

    Bei dieser Gelegenheit wurde auch das gerade erschienene Buch von Christian Knudsen mit dem interessanten Titel „Herzblut“ (ISBN: 3-9804150-8-2) vorgestellt. Es ist – wer hätte es gedacht – im sic!-Verlag erschienen und hat nicht nur einen ungewöhnlichen Preis von 98,- DM, sondern auch eine mindestens ebenso ungewöhnliche Seitenzahl von 440!!! Die Aufmachung ist – wie von diesem Verlag nicht anders gewöhnt – ganz hervorragend und der Inhalt vor allem durch die zum Teil fast literarischen Essays zwischen den Trickbeschreibungen sehr lesenswert. Natürlich ist es ein Fachbuch, aber auch der interessierte Zauberlaie wird sicher an den Essays seinen Spaß haben. Das Gleiche gilt für die theoretischen Kapitel des Buches Zauber-Atlas (schon wieder so ein origineller Titel) des jungen Amerikaners Joshua Jay. Dabei handelt es sich natürlich um die von Dr. Oliver Erens herausgegebene deutsche Ausgabe mit seiner Übersetzung des englischen Textes (ISBN: 3-00-006373-0). Auch hier wieder die gewohnt gute Aufmachung und ein ähnlicher Preis von 99,- DM. An dieser Stelle sollte vielleicht einmal erwähnt werden, dass man an Zauberbüchern eigentlich nichts verdienen kann und solche hohen Preise vor allem von dem Risiko zeugen, dass die Verlage und manchmal auch die Autoren eingegangen sind. Umso dankenswerter sind solche Initiativen. Wir sollten wirklich froh sein, dass bei dem doch recht kleinen deutschsprachigen Markt immer wieder Bücher mit solcher Ausstattung herausgebracht werden.

    Ebenso erfreulich ist es auch, wenn Künstler wie Wittus Witt neue Zauberprogramme kreieren. Für den Herbst hat er bereits wieder ein solches mit dem schönen Titel „Warten auf Freud'„ angekündigt, das wahrscheinlich „Augenzwinkern statt Magierblicke„ ablösen wird. Davon konnte ich somit eine der letzten Vorstellungen in Remagen besuchen. Vor 450 Zuschauern (!!!) zeigte Wittus seinen Tagesablauf bis zur abendlichen Vorstellung. Schön, dass ich noch einmal nach der Premiere im März 1998 die aktualisierte Version dieses interessanten Soloprogramms mit kabarettistischem Einschlag sehen konnte. Und nun warte ich mit Freuden auf Freud!

    Innerhalb der deutschen Zauberszene wird es dieses Jahr keinen größeren Kongress mehr geben, dafür aber vier kleine mit den regionalen Vorentscheidungen für die deutschen Meisterschaften im nächsten Jahr und damit auch für die Weltmeisterschaften im Jahr 2003 in Den Haag. Da daran alle Zauberkünstler/innen teilnehmen können, auch wenn sie nicht Mitglied im Magischen Zirkel von Deutschland sind, folgen hier die Termine:

    Vorentscheidung Nord, 21.-23.9., Weser-Ems-Halle (Oldenburg)

    Vorentscheidung Süd, 5.-7.10., Mühlehof (Mühlacker)

    Vorentscheidung West, 19.-21.10., Bürgerhaus Sprendlingen (Dreieich)

    Vorentscheidung Ost 9.-11.11., Meininger Hof (Saalfeld)

    Das Ganze läuft unter dem schönen Titel „Vier-Chancen-Tournee 2001„ und Anmeldeunterlagen sowie weitere Informationen gibt es hier:
    Geschäftsstelle des MZvD, Manfred Geiß, Grazer Weg 40, 60599 Frankurt a.M. Tel.: 069/652070, Fax: 069/651958, Email: geiss@mzvd.de

    Wer dort einen Preis gewinnt, kann sich ohne eine weitere Prüfung für eine Mitgliedschaft im MZvD entscheiden und dann an den deutschen Meisterschaften im nächsten Jahr teilnehmen, denn dafür muss man dann Mitglied sein...

    Und zum Schluss noch eine sehr traurige Meldung: Am 2.4.2001 starb mit nur 66 Jahren der bekannte Münchner Händler und Verleger Rudolf Braunmüller. Er hat sich nicht nur mit seinen zahlreichen Seminaren für Fachkollegen, seinem antiquarischen Buchhandel und den vielen von ihm herausgegebenen und vertriebenen Schriften und Videos, sondern vor allem durch die Gründung und Herausgabe der Zeitschrift „Intermagic„ ein Denkmal gesetzt. Sie hatte sich der Übersetzung englischsprachiger Trickbeschreibungen, in den letzten Jahren aber auch der Veröffentlichung längerer Texte deutschsprachiger Autoren verschrieben und füllte damit eine Lücke im deutschen Zauberschrifttum, die so schnell nicht zu schließen sein wird. Wir alle werden Rudolf Braunmüller sehr vermissen!

    Dr. Andreas Michel-Andino


     

     

     

    2001-06-15 | Nr. 31 |





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