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    Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied!

    Das Land wird gerade umstrukturiert, so daß es in Zukunft wieder mehr Armut geben wird und gleichzeitig sollen deutsche Interessen rund um den Erdball militärisch vertreten werden. Eine Fundgrube für das Kabarett – sollte man meinen. Doch auf den Kleinkunstbühnen wird überwiegend rumgekaspert, eine Art Truppenbetreuung findet statt, Hauptsache es wird gelacht. Nur wenige Künstler wagen es, sich in Wort, Spiel und Musik mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinander zu setzen. Deren Qualität muß freilich oft noch besser werden.

    Einen Krieg gegen den Krieg (Koch Universal 060249801034; 14 Tracks, 14 Tracks, 52:28 min) möchte Franz Josef Degenhardt anzetteln: Lieder aus rund vier Jahrzehnten, in denen Väterchen Franz sich jetzt schon mit den vergangenen und den kommenden Kriegen auseinander setzt. Er mahnt, er klagt an, er ist spöttisch, er ist zynisch, er ist nachdenklich, er ist direkt oder metaphorisch - aber er bleibt immer auch ein Genuß.

    Der Erlanger Satiriker und Liedermacher Werner Lutz ist von ähnlicher Gesinnung wie FJD, seine CD heißt Kollateral (DET Records Tel.: 09131-404671; 16 Tracks, 58:42 min, Texte). Seine Lieder befassen sich mit dem Krieg, dem Sozialabbau, der Ausländerfeindlichkeit und dem Elend der ärmsten Länder. Er singt in leicht  fränkischem Dialekt, bemüht sich musikalisch abwechslungsreich zu agieren, ist aber gleichwohl etwas hölzern.

    Johan Meijer singt seine Lieder für Überlebende der Shoah Von der Maas bis an die Memel (J.Meijer Tel.: 0031-621854757; 17 Tracks, 68:25 min, Texte + Infos). In eindringlichen Porträts besingt er einzelne Schicksale wie z. B. das Anne Franks, stellt seine holländische Version der Moorsoldaten und der vier wilden Schwäne vor und verbindet so seine eigene deutsche und holländische Prägung. Ein ausführliches Booklet rundet diese sehr gelungene und verdienstvolle Erinnerung und Mahnung ab.

    Die bösen Mädchen (Gün Tank 0179-2079273; 19 Tracks, 78:34 min), eine mehrfach ausgezeichnete Band junger Mädels mehrerer Nationen, wollen den gängigen Boy- und Girlgroups Inhalte entgegensetzen. Flotte Popmusik gegen die Marktmacht internationaler Konzerne, ein bißchen Rio Reiser, für Toleranz, Solidarität und interkulturelle Toleranz und Zusammenarbeit.

    73:29 minutes to save the world (Pläne 88891; 14 Tracks, 73:29 min, Texte) sollte man sich schon nehmen, auch wenn man dafür in ein Rotes Haus muß. Dieses Pop-Quartett aus Hamburg ist eine interessante und sehr hörenswerte Formation. Sie haben ein feines Gespür für die Brüche unserer Zeit  und setzen dies textlich und musikalisch vielschichtig und differenziert um. Sie beziehen dabei dennoch Standpunkt ohne Anwandlungen von Agitationslyrik und bewegen sich musikalisch zwischen verschiedenen Popstilen, die sie raffiniert kombinieren.

    Frank Baier ist ein Urgestein der Liedermacherszene in NRW, genauer gesagt im Ruhrpott. Er hat immer Gebrauchslieder für die politische Alltagsauseinandersetzungen seiner Region geschrieben und damit teilgenommen an Protestaktionen, Streiks und Demonstrationen. Sein musikalisches Portrait (Pläne 88887; 19 Tracks, 75:05 min, Texte + Infos) wird mit Liedern zweier LPs von 1976 und 1981 erstellt, die heute Erinnerungswert aber z.T. auch noch Aktualität besitzen. Skiffle  und Blues im Klassenkampf.

    Weit zurück, in das 1965, führt auch die nächste CD: Immer, wenn ich "drüben" sage... (Ohreule/Duo-Phon 11 Tracks, 78:12 min) lautet ihr Titel und ist ein Mitschnitt des einzigen Auftritts des wunderbaren Wolfgang Neuss in Berlin(Ost). Helene Weigel hatte ihn eingeladen in der Kantine des Theaters Berliner Ensemble "Jüngste Gerücht" vorzustellen. Ein einzigartiges Programm unter einmaligen Bedingungen gespielt und aufgezeichnet – ein Stück deutscher Kabarettgeschichte.

    Typisch Hüsch (Pläne 89012; 16 Tracks, 52:28 min, Texte) kann man aus heutiger Sicht nicht gerade mehr sagen, denn die radikalen Texte und Gesänge in den Sechzigern und Siebzigern waren nur Phasen im Schaffen des vielseitigen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. Da wurde Revolution von ihm noch mit drei "r" gesprochen. Wiewohl das heute etwas befremdlich wirkt, ist seine Meisterschaft dennoch in den Texten von 1970 und in Carmina Urana von 1963 zu hören. Sprachlich meisterhaft wie er sich mit dem nachfaschistischen Deutschland und den drohenden Atomgefahren auseinander setzt.

    Einer der brillantesten deutschen Sprachschöpfer und Maler des zwanzigsten Jahrhunderts hat bis heute nicht die Bekanntheit und den Ruhm, den er verdient hätte: der Dadaist Kurt Schwitters. Dieser Hannoveraner Künstler teilt das Schicksal vieler, die Nazideutschland ins Exil getrieben hat: Sie wurden (fast) vergessen. Doch Von der Gurgel bis zur Zehe (Kein & Aber  records/ EFA 23292-2 / Eichborn ISBN 3-0369-1142; 2 CDs, 35 Tracks, 63:40 min + 5 Tracks, 30:20 min, Infos)  war dieser vielseitige Künstler originell, humorvoll und intelligent. Er hat die künstlerische Moderne in der Malerei und sprachlich entscheidend vorangebracht, vor allem seine Ursonate sei in dem Zusammenhang hier erwähnt. Sie wird von Bernd Rauschenbach auf der zweiten CD vorgestellt: Zuerst ist dieses Werk aus Buchstaben und Lauten vielleicht schwer verständlich, aber hat man es einmal begriffen, ist man von der Genialität ergriffen.

    Alles hat seine zwei Schattenseiten (Duo-Phon 0705-3; 23 Tracks, 51:51 min, Infos) klagte einst Mascha Kaléko, eine Dichterin, die ebenfalls von den Nazis vertrieben wurde. Sie dichtete Gebrauchslyrik auf hohem Niveau, scheinbar einfache Reime, doch von einer Weisheit und Eleganz, wie es nur wenige konnten/können. Die Berliner Schauspielerin Barbara Schnitzler hat sich zusammen mit dem Percussionisten Albrecht Riermeier der Gedichte angenommen und sie präsentieren sie auf eine ungewohnte und nachdrückliche Weise.

    Die Gedichte des Francois Villon (Hoffmann & Campe ISBN 3-455-30345-5; 21 Tracks, 63:19 min, Infos)  wurden in Deutschland vor allem durch die Übertragungen von Paul Zech populär (und wohl auch verfälscht). Gleichwohl prägen diese Versionen das Villon-Bild, nicht zuletzt auch durch die unvergeßlichen Interpretationen eines Klaus Kinskis. Diese Prägungen hat Christian Redl  aufgegriffen und mit seiner Band eine eigene, sehr stille, poetische Form gefunden diese Gedichte vorzutragen. 

    Irgendwann in Frankreich hat er ihn einst gehört und jetzt das: Je chante - Burghart Klaussner swingt Charles Trenet (Hoffmann & Campe ISBN 3-455-30346-3; 33 Tracks, 63:20 min, Infos). Das Leben und die Lieder dieses bedeutenden französischen Chansoniers, der den Swing in das Chanson einbrachte, stellt B. Klaussner auf eine sehr nette Art vor.

    Das französische Chanson hat auch Ina Deter & Die Compagnons sehr beeindruckt: Voilà (Chroma Music CMO 10403 / AL!VE; 14 Tracks, 53:26 min, Texte). Ina Deter hat Lieder von Edith Piaf herausgesucht und sich dazu deutsche Texte geschrieben. Funktioniert das? Ja, es ist ihr gelungen nicht nur zu übersetzen, sondern eigene kraftvolle Texte zu schreiben. Seit langen ist Ina Deter mit diesem Programm überaus erfolgreich – zu recht.

    2003-12-15 | Nr. 41 |





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