Jetzt schwappt die Wellness Welle auf Kleinkunstbühnen oder flutet ganze Hallen. So geschehen am 20.06 in der 400 Zuschauer fassenden Festhalle in Brühl bei der Premiere von Christian "Chako" Habekosts neuem Programm "der Wellnässer". Habekost, der sich mit seinen "Highmat-Abenden" in die Herzen der Kurpfälzer gequasselt hat, ist längst aus seiner Mundart herausgewachsen und Massen tauglich. Diesmal hat Habekost das Fit- und Wellness gestählte Publikum ab 40 im Visier. Als Temperamentsbündel tanzt, mimt, singt und hält er dem unweigerlich älter werdenden Publikum den Spiegel vor, nimmt sich selbst dabei nicht aus. Endlich verstehen die zu Mama und Papa mutierten späten Jugendlichen was der Namenzusatz "Chako" bedeutet, denn "Chako", das ist der Guru im Kleinkünstler. Der massiert den Kursteilnehmern des Abends die Chakren und stimmt sie meditativ ein. Dann erst macht Habekost sein Publikum naß: Anti-Amerikanismus ist Sünde und Krankheit, das Gesundheitssystem wird bald Gesellschaftssystem sein, Lehrer sind Übermenschen und Walldorf Kinder kreative Bestien, die Fischstäbchen nicht werfen, sondern sie fliegen lassen. Wogegen sollen diese Kinder rebellieren, wenn die Mutter ihr Bauchnabelpiercing raushängen läßt und das "Zicke" T-Shirt von New Yorker trägt? Schenkelklopfer und tief angesetzte Pointen. Wer bei Habekosts Tempo nicht mitkommt, der kann den eingebauten Tiefsinn verpassen und seltsamer weise trotzdem lachen. In vielerlei Hinsicht entpuppt sich der Wellnässer als Fitnessprogramm. Mannheims Klapsmühl' bescherte Habekost an drei Abenden (4.-6.07.) ausverkauftes Haus. Das wird die renommierte Bühne in Zukunft öfter brauchen, kürzt ihr doch die Stadt angesichts verringerter Landes Zuschüsse den Etat um zehn Prozent. Auch andere Kulturhäuser in der Region wird es treffen. Da wundert man sich doch, dass sich in Weinheim mit der Alten Druckerei eine neue Kulturbühne an den Start wagt. Noch bevor die Alte Druckerei am 9.11. von Habekost hoch gespült werden konnte, strandete am 17.10. Elly Lapp mit ihrem Programm "Frauen sind keine Engel". Dem Veranstaltungsort fehlt, anders als manchem Chanson, die Patina. So verlor sich die Inszenierung, zuweilen, wie seltsam, auch deren Klang, in den endlosen Weiten einer weiß getünchten Fabrikhalle. Bei Wellness a la Habekost oder Bülent Ceylans Comedy Gelage "Döner for one" (19.-20.10.) stört so ein Rahmen kaum. Für einen Chanson Lauschangriff a la Lapp taugte die neue Bühne in Weinheim nicht. Elly Lapp schließlich bewegt sich mit einer Mischung aus alt erprobten Gassenhauern, wie dem Surabaya Johnny des Autorenteams Brecht/Weill, und eigenem zwischen dramatischer Diva und Soul Sternchen. Während Eigenkompositionen wie "unter die Haut" als Soul Balladen nach erprobter Mannheimer Rezeptur überzeugten, wirkten die Klassiker wie kalorienreiche Hausmannskost. Am 26.10. las und blickte auch Thomas C. Breuer von der kargen Bühne herab und zwar im Zorn voraus auf 2004. Das kurzlebige Programm "Blick voraus im Zorn" hat nach Aussage des Kabarettisten wider Willen schon Mitte Februar sein endgültiges Verfallsdatum erreicht und wird ab dann zugunsten literarischer Arbeit von der Bühne genommen. Bis dahin aber werfen dunkle Gestalten ihre Schatten voraus, statt Jahresrückschau zu halten. Übrigens zählt Breuer zur ersten Wahl des Kulturfenster Publikums in Heidelberg, wo er am 21.11. Hellsehhilfe sein wird. Anläßlich des 20-jährigen Jubiläums durfte das Publikum darüber entscheiden, wer beim 20 Jahre Best of Programm auf die Kleinkunstbühne des Kulturfenster e.V. kommt. Ein Konzept, das für 16 Abenden (10.10-28.11.) Publikumszufriedenheit garantiert. Verdient hat sich das die kleine Bühne allemal, von der aus schon so mancher Impuls in die regionale Szene ging. So wird am 28.11. der Glaser-Ditzmer-Club nach zwei Jahren musikalischer Szenearbeit im Rahmen des Programms würdig verabschiedet. Das Best of Programm kommt mit Künstlern wie Arnim Töpel (10.10.), den brasilianischen Weltmusikerinnen Rosanna & Zélia (11.10.) oder dem Heidelberger Männerchor HardChor (12.10.) sympathisch bunte daher, wie eine hausgemachte Patchwork Kuscheldecke auf der die ganze Familie Platz hat. Kaum zu glauben, dass das Publikum sich auch nach drei Jahren Abstinenz an die Musikkabarett Truppe Mistcapala erinnerte (31.10). Mit unglaublicher Spielfreude brachte Mistcalapa unglaublich viele Musikinstrumente zum Klingen. Nicht ohne Grund klingt der Name der Truppe wie eine ansteckende Krankheit, denn was die vier Musiker zwischen Volks- und Folk-Musik in Szene setzten, hatte Temperatur und Farbe, wie jede ordentlich ansteckende Krankheit und das Publikum ließ sich anstecken.
Tiefe Wirkung erzielte auch das Kindertheaterfestival des Kulturfenster e.V. vom 17.-19.09.. Mit der Liebesgeschichte die Eierschlucker der Theater Companie Voland & Kunstdünger feierte das Festival einen poetischen Höhepunkt. Patent kommen die Schauspieler Christiane Ahlhelm und Günther Baldauf als moderne Märchengestalten mit runden Knubbelnasen daher, überzeugen durch ausdrucksstarkes mimisches Spiel. Aus dem Handwagen, in dem Rudolf die seltsam verkrüppelte Isolde durchs Leben zieht, erwächst eine Welt voll Abenteuern und Poesie. Isolde, als ehemals schöne Prinzessin entlarvt, gesteht dem armen Eiermann Rudolf in ihrem Lied "Ich fühle Liebe" und regt damit so stark an die Emotionen, dass manche Kinder weg schauen und Erwachsene sich die Augen reiben mußten.
Oft genug ist der Begriff Kleinkunst angesichts der großartigen Leistungen, die in dem Genre vollbracht werden, wenig angebracht. Was aber, wenn einer wie Bülent Ceylan sich zur Kunst neigt? Bei "What is art?", einem von Künstlern veranstalteten interdisziplinären internationalen Kulturevent im Mannheimer Luisenpark, fiel der Auftritt des Comedy Stars am 6.09. schlicht und einfach ins Wasser. Mit Ceylan standen sehr viele Fans im Regen. Statt Kleinkunst in Höchstform erlebten sie einen Kleinkunst Star, der angesichts chaotischer Verhältnisse ohne viel Aufhebens mit den Schultern zuckte und nach Hause ging. Pannen sind auch schon anderen passiert. Eric Clapton hat Muddy Waters im Vorprogramm spielen lassen. "Das werde ich ihm niemals verzeihen," sagt Arnim Töpel und spielte zusammen mit Gitarrist Manfred Häder im Muddys Club in Weinheim am 2.10. Blues nach Vorschrift - das ist Blues mit deutschen Texten. Im Deutschen gibt es kein adäquates Wort für Blues. "Als seien die Deutschen ein überschäumend fröhliches Volk". Töpel klagt von seiner Bluesharp spielenden Tochter Clara und ihrem Konflikt mit Blockflöte spielenden musikalischen Früherzieherinnen, von Zeitgenossen, die sich zu dick und zu alt, selten aber zu blöd finden. Das kleine Scheitern im Alltag besingt er leise und absurd. Dabei entpuppt sich Töpel als ein mehr als passabler Pianist, sein Gitarren Partner Manfred Häder, der sonst bei der Frankfurt City Blues Band zupft, als amtlicher Blues Begleitschutz. Zusammen sind sie ein Team, das dem Publikum im lauschigen Club Ambiente nicht nur blaue Stunden bescherte, sonder kleine Wohlfühl-Schauer auf die Haut zauberte.
Redaktion: Sibylle Zerr
AdNr:1082