Frühlingserwachen ist bei den Kabarettisten ausgebrochen. Was sie bisher in diesem Jahr nicht getan haben, ist nun innerhalb weniger Tage geschehen. Premiere bei der Herkuleskeule, die ihr Publikum nunmehr mit UFA-Schlagern aufmuntern, bei Sanftwut in Leipzig stellten Uta Serwuschok und Thomas Störel ein neues Programm zwischen Lied und Kabarett vor, dann war Premiere bei Gohglmohsch, zwei Tage später bei "2plus" (dem neuen Kabarett von Rainer Otto/siehe auch Trottoire 4/98) und eine Woche drauf gabs Neues bei den academixern.
Aber eins nach dem anderen. Ende Januar hatten Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz das Programm "Wir haben uns überlebt" auf die Bühne gebracht. Vor reichlich 10 Jahren waren beide schon einmal zusammen aufgetreten. Nun wollten sie sehen, ob das noch geht. Es ging ausgesprochen gut. Ihr neuerliches Doppel war eine Rückschau. Nicht auf das ausgehende Jahrhundert oder 50 Jahre Bundesrepublik. Da wischten sie nur Staub und waren dann gleich mitten im gegenwärtigen deutschen Alltag samt Arbeitslosigkeit, politischer Kultur oder der Allmacht der Medien. Freilich die wohlfeilen Themen im Kabarett. Doch der spielerische und ausgesprochen heitere Umgang mit ihnen glich das aus. Zudem beschäftigte sie die Frage: Was haben wir in den letzten Jahren überlebt und was hat mit uns überlebt. Ein Staunen und Erkennen.
Dann gab es lange Zeit nichts oder nicht viel Neues bis zum Frühlingserwachen Ende März, Anfang April. Aber ganz ohne Theater ging es doch nicht ab. Die Kommune in Leipzig hatte der Lachmesse kurzer Hand die Zuschüsse mit der Begründung halbiert, die werden es schon schaffen. Geschafft hatte das nun wiederum Organisator Arnulf Eichhorn, der Protest anmeldete und zumindest erreichte, daß noch etwas draufgelegt wurde.
Dann das Frühlingserwachen. Und es kam mit einem Sturm im Wasserglas. Wie gemunkelt wurde, so passierte es dann auch. Der Frontmann von Gohglmohsch, Meigl Hoffmann, war in eine Produktion der academixer eingestiegen. Nun fehlte der im neuen Programm bei den Gohglmohschern. Ex-academixer Burkhard Damrau übernahm den Part und fügte sich auf seine Weise schnell und gut ein. "Max braucht Waffen" nannte man das Programm, bei dem durchgespielt wird, wie Arbeitslosigkeit auf böse Weise erfinderisch machen kann. Die Szenen und Lieder waren voller verblüffender Überraschungen, nur die Dramaturgie hatte den Programmfaden mehr verknotet als entwirrt.
"Alles geht im Stehen" hieß es bei den academixern, und Meigl Hoffmann sollte noch zu zusätzlichen jugendlichen Druck beisteuern. Ob dessen Hochachtung vor dem hohen Hause in der Kupfergasse zu groß war, ist nicht sicher. Jedenfalls hatte er sich ohne bemerkenswerte Temperamentsausbrüche der Art des Hauses untergeordnet. Die Szenen- und Liederfolge zum Thema Stau und dessen Folgen für die Aufgestauten war heiter bis philosophisch. Regie: Christian Becher, der auch neben den sauber spielenden Anke Geißler und Meigl Hoffmann auf dem Brettl stand. Nun ist erst einmal Spielen angesagt. Somit gibt es viel Neues nicht anzukündigen. Aber die Herkuleskeule wird am 2. Mai ihr neues Programm "So weit sind wir gekommen" vorstellen, bei den Kiebitzensteinern in Halle/Saale ist am 7. Mai mit "Das Schweigen der Belämmerten" Premiere und im Ersten Chemnitzer Kabarett spielen ab 11. Juni Gerd Ulbricht und Andreas Zweigler "Das neue Alte".
Redaktion:Harald Pfeifer
1999-06-15 | Nr. 23 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer