Großes Theater mit kleinen Figuren. Goethes „Faust“ als Puppenspiel lockte richtig viel Publikum ins Capitol nach Schwenningen. Nach der Vorstellung gab es kräftigen Applaus für Johannes Minuth, der die Tragödie ungewöhnlich präsentierte.
Im voll besetzten Saal gibt es zu Beginn der Vorstellung ziemlich viele ziemlich fragende Gesichter. Denn dort vorne hampelt doch tatsächlich ein Kasperle herum. Oje, das kann ja heiter werden. Oder kommt jetzt die Kindervorstellung am Abend? Doch die Befürchtungen erweisen sich als grundlos. Johannes Minuth, der Doktor des Puppenspiels (ja, er hat tatsächlich über dieses Thema promoviert), zeigt sich als Meister seines Fachs. Sein „Faust“ ist zwar unkonventionell und mit vielen spaßigen Einfällen gespickt, aber immer handwerklich perfekt, auf den Punkt inszeniert und, vor allem, überhaupt nicht plump gagig.
Die deutsche Vorzeigetragödie mit ihren altbekannten Zitaten, die sich in den vergangenen 200 Jahren als feste Redewendungen tief ins Allgemeinwissen jedes halbwegs Gebildeten einfressen haben, birgt viele Gefahren für Nachspieler und Interpreten. Den Stoff des ollen Goethe einfach mal so zeitgeistig mit modernem Vokabular aufbürsten? Achtung! Das kann einfach nur schief gehen! Johannes Minuth, macht’s deshalb nicht. Er nähert sich dem Dr. Faust, Mephisto und dem Gretchen forsch-direkt, aber werkgetreu. Und dies goutiert das Publikum. Denn jeder weiß, wie es weitergeht, wenn vorne etwa der Puppenspieler seine Puppe sagen lässt: „Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als ...“ Na? Genau: „… wie zuvor!“
Das ist das Erfolgsgeheimnis dieses Puppenstücks. Es ist wie beim Spiel „Erkennen Sie die Melodie?“. Man hört etwas und kann gleich mitsummen. Oder wenigstens im Kopf mitmachen. Da spielt es keine Rolle, dass vorne keine richtigen Menschen aus Fleisch und Blut agieren, sondern kleine Figuren aus Holz, Stoff und Draht.
Sie bringen alles rüber: das Faszinosum der Tragödie und die geistreichen Dialoge zwischen Faust und Mephisto. Mit wenigen Requisiten, mit Taschenlampenschein, transparenten Tüchern und Schattenspielen zaubert der Puppenspieler die richtigen Stimmungen. Das reicht als Anregung, vollendet wird alles im Kopf.
Nicht peinlich ist auch, dass manche Monologe mit Hardrock von Rammstein unterlegt sind und der Text zu einer Art Sprechgesang verbogen wird. Kein Problem! Ein guter Puppenspieler findet auch hier die richtige Dosis. Und überhaupt: Der „Faust“ hält’s aus. Noch nicht mal Bello, der Hund, kann zum Schluss die Tragödie zum Kasperletheater degradieren. Auch mit solchen Schlappohren bleibt Goethes „Faust“ in der Bearbeitung von Johannes Minuth ein richtig gutes Schauspiel. Ganz groß, die Kleinen.
Berthold Merkle, Südwest Presse
Goethes Faust – Die Puppenshow
04.10. Knittlingen, Stadthalle
12.10. Gundelfingen, Kultur- und Vereinshaus
17.10. Lörrach, Hans-Thoma-Gymnasium
04.11. Stuttgart, Stadtbücherei im Wilhelmspalais
12.11. Offenburg, Salmen
14.11. Marbach am Neckar, Schlosskeller
20.11. Freiburg, Peterhofkeller
22.11. Emmendingen, Schlosskeller
23.11 Wesel, Hotel Haus Duden