Nach etwa 600 Kilometern Autofahrt, biegt der Berlinreisende aus München von einer Autobahn namens Avus kommend rechts in eine überdimensionale Verkehrsader, den Kaiserdamm, ein und weiß bescheid. Es scheint, dass die Berliner diese Straße einst nur deshalb so großzügig angelegt haben, damit im Reisenden aus der ehemals heimlichen Hauptstadt im Süden keine Zweifel aufkommen darüber, wer die Größte und Mächtigste Stadt im Lande ist. Auch in München gibt es eine Straße, die dem Kaiser gewidmet ist, wobei man da wohl eher an Beckenbauer als an Wilhelm Zwo denkt. Münchener, die das andere Berlin, das gemütliche, das Berlin der Kneipen suchen, müssen keine Fernreise antreten. In jener Münchner Kaiserstraße ist das „Heppel & Ettlich“ zu finden, eine Kneipe benannt nach ihren Wirten, zwei Berlinern, die es irgendwann einmal nach München verschlagen hat. Dort heißen die Frikadellen nicht wie anderswo in München üblich Fleischpflanzl, dort kann man Buletten essen, und wer unbedingt will, kann sogar eine Berliner Weiße trinken. Der Nebenraum der Kneipe, das ist das „Theater bei Heppel & Ettlich“, eine feine Kleinkunstbühne. Zu Beginn der Herbstsaison hat man dem Theater eine Frischzellenkur verabreicht, hat zum Pinsel gegriffen und dem guten alten „Heppel“ eine neuen Anstrich verpasst. Neues gab es auch zur Wiedereröffnung, eine Kabarettpremiere eines neuen Duos. Ecco Meineke beklagte sich an der Seite von Susanne Rohrer: „Die Frauen essen uns alles weg!“. Ein Feuerwerk skurriler Ideen und Pointen wurde dabei abgebrannt. So zahlreich waren die Einfälle der beiden, dass sie gut und gerne für drei Kabarettabende gereicht hätten. Der Berliner Kaiserdamm kommt auch im neuen Programm von Holger Paetz vor, das der Ex-Aschaffenburger Münchner und Ex-Wahlberliner in der Lach- und Schießgesellschaft vorgestellt hat. „Deutsch? Ich bin ja nicht mal Laie“, heißt der Abend. Um die Deutschen als Deutsche geht es also, und Paetz berichtet darin von seinen Schwierigkeiten, zu sagen, er komme aus Deutschland, wo er doch eigentlich immer in der Bundesrepublik gelebt habe, dem Land des „irgendwie“: „Ja, wenn man so will bin ich schon Deutscher, irgendwie“. Heute ist man Deutscher ohne Einschränkung. Das will gelernt sein. Wer sind sie also, diese Deutschen, fragt Paetz sich und das Publikum, und er schafft es, diese Frage zu beantworten, ohne auch nur eine Plattheit zu bemühen. Sätze, die man eigentlich nicht sagt, die man früher vielleicht in Stein gemeißelt hätte, Satzungetüme, die man nur versteht, weil sie Paetz so wunderbar zu betonen weiß, intelligente Pointen aus einem ewig griesgrämigen Gesicht, das dennoch „irgendwie“ sympathisch wirkt. Sind sie Fremdenfeinde, die Deutschen, oder einfach nicht scharf auf Besuch? Paetz stellt Fragen, die Antworten sind. Sterben sie aus, die deutschen Klischees? Paetz fordert die Erhaltung des Frauenparkplatzes, und wenn er mit dem Auto unterwegs ist, liegt immer ein Hut auf dem Beifahrersitz bereit. In einem Ossi-Rap fordert ein hesselnder Wessi seinen Bruder von drüben auf, endlich normaler zu werden, nicht so ossi-mäßig zu bleiben, dass ihm sogar Rotkäppchen-Sekt schmeckt. Das Lied von deutschen „Bistrioten“ erzählt vom kulinarischen Supergau im „Trattoria-Bagel-Pizzorante“. Paetz singt von randalierenden „Kukident-Hooligans“ am Rande des Dorffußballplatzes und ein beinahe schon bitterböses Lied von der Mittelstandshängematte, mit dem der Schlacks mit dem kantigen Gesicht und den unendlich langen Armen sein Publikum entlässt: ein gelungener Kurs für Anfängerdeutsche, ein überaus gelungener Kabarettabend. Als Förderer von Frauenpower zeigt sich die Lach- und Schieß mit Luise Kinseher, die nach ihrem Erfolgsstück „Ende der Ausbaustrecke“ nachlegen wird mit „SCHNOP – der Weg ist weg“. Das Programm hat Ende November Premiere. Hier wird Kabarett zum chemischen Experiment, denn SCHNOP, das sind die Elemente S=Schwefel, C=Kohlenstoff, H=Wasserstoff, N=Stickstoff, O=Sauerstoff und P=Phosphor. Es herrscht Explosionsgefahr, denn auf die richtige Mischung kommt es an. Was sich alles im Magen zusammenmischt, was da schon lange als schwer verdaulicher Brocken vor dem Darm sitzt, was nur kurz im Magen bleibt, um kurz darauf durch die Gedärme geschossen zu werden, das lernt man in Helmut Schleichs neuem Programm „Das Auge isst man immer mit“, das im Theater im Fraunhofer Premiere hatte. Der Experte in Rauschfragen (letztes Programm: „Brauereifrei“) widmet sich nun der festen Nahrung und wünscht: „Wohl bekomm’s!“. Anfang Dezember werden sich die Blicke wieder gen Pasing am Rande der Stadt richten. Münchens wichtigstes, weil einziges Kabarett-Festival, der Kabarett-Kaktus, präsentiert wieder ambitionierten Kleinkunstnachwuchs. Die Rosenheimer Kleinkunst-Tage sind dann schon wieder Vergangenheit. Bei der nunmehr schon 17. Ausgabe dieses Festivals stellten sich unter anderem Sigi Zimmerschied, Arthur Senkrecht, Martin Grossmann und Jörg Herwegh vor.