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    Kabarettist oder Philosoph?

    Jörg-Martin Willnauer im Gespräch mit Alf Poier

    Jörg-Martin Willnauer:  Wir sitzen in einer Perle steirischer Gastlichkeit, einem Etablissement der gehobenen Kulinarik. Wir, das sind Alf Poier und meine Wenigkeit. Alf Poier, der Zen-Meister für gehobenen Sense und Nonsense zeichnet sich ja dadurch aus, das er auf deppate Fragen gscheit und auf gscheite Fragen blöd antwortet. Diese Klippe möchte ich natürlich  umschiffen, also werde ich Fragen stellen, die beides gleichzeitig sind.

    Alf, du hast eine phantastische Konjunktur erlebt, du bist der erfolgreichste steirische Kabarettist in den letzten Jahren; ist das immer noch kommod, oder schon stressig?

    Alf Poier: Jo, des is natürlich vül  Arbeit, weil i spül' fast 200 Tog  und i fohr jo immer mit'n Bus! Nach Köln rauf zum Beispiel sind es 10 Stunden fahrn , i hob soviel Requisiten und i kann jo net fliegn und deshalb muss i imma fahrn. Fahrn mag i net gern, aber wenn i durt bin, taugt mir es schon.

    W: Also ein Privatflugzeug geht sich noch nicht aus?

    P: Na, schwierig. Aber i flieg schon ab und zu  zu  Fernsehshows. Also der Rudi Carell zohlt mir immer an Flug und dafür bin i ihm auch sehr dankbar.

    W: Das ist sehr nobel von Rudi Carell.

    Du bist ja ein Multikünstler, der sich  musikalisch, kabarettistisch und zeichnerisch ausdrückt. Deine Karikaturen haben schon einige Berühmtheit erlangt...

    P: Jo, es san ja a kane Karikaturen. Es geht ja immer um Sichtweisen in der Kunst. Also i bin ja  Künstler und net so wirklich  Kabarettist. Ich wüll die Welt net verändern, i wüll ja nur wissen, wie sie ist. Also , wenn i des beschreiben müsst, is es  so: Da steht einer auf der Bühne vor 500 Leut und sagt: bitte helfts ma, i kenn mi net aus! Normal muass  ja der auf der Bühne die Leut was sagen, aber i mecht immer was wissen von die Leut.

    W: Vielleicht ist das ein Geheimnis deines Erfolgs. Unterstellst du  deinen Kabarettkollegen, dass sie die Welt erklären wollen?

    P: Also manchen schon. I wer jo oft gfrogt, warum i nix politisches mach. Und dann sog i: dann wär i Bürgermeister worn! Des is wie im Zen, da macht ma immer glei des, was ma tun wül.

    W: Der Kabarettist hat ja die Möglichkeit, Bürgermeister, Zen-Priester, Pfarrer und Musiker zu sein. Er hat  alle Möglichkeiten.

    P: Ja, aber a Bürgermeister der was 200 Tog im Johr unterwegs ist, wird nimmer gwöhlt werden, wahrscheinlich.

    W:  Auf jeden Fall betätigst du dich in den unterschiedlichsten Bereichen. Welcher Bereich ist dir am liebsten?

    P: Mir geht's um a ganzheitliche Sicht der Dinge. I wül olles einibringen und es muss ums Letzte und ums Erste gleichzeitig geh'n. In der Kunst zum Beispiel probier i immer, Sachen zu vereinigen. Mi interessieren Gegensätze. Zum Beispiel wird jetzt irgendwo ein Kind gepflegt und die Leut' helfen sich gegenseitig und wo anders haut aner den andan um!

    Oder die ganze Natur: es  ist ja alles verlogen. A Krokodül, des is grün und sitzt im Urwald do im Sumpf und sagt damit eigentlich,  i bin ja gor net do!  I bin grün da kann man ja ruhig vorbei gehen. Und dann gehst vorbei und dann föhlt da der halbe Arsch!

    Und des interessiert mi,  ob net lüg'n des Natürliche is. I lüg ja net normalerweise. Aber vielleicht, denk i mia, widersetzt ma sich da der Natur.

    W: Du bist aus der grünen Mark nach Wien gezogen und hast dich in Wien niedergelassen. Fühlst du dich als Steirer, als Wiener, als Europäer oder als Kosmopolit?

    P: Eher als Kosmonaut, weil die Welt is so wie a Raumschiff. Die fliegt ja irre schnell hab i a mol gelesen, i waaß net, wie schnöll...

    I muss a bissl gemein sogen, daham is für mi oft dort, wo i aufs Klo gehen kann. Und i hab dreizehn Jahr in der Schul net scheißen können. Des klingt jetzt blöd, aber es is so!

    Oft kumm i in a Hotel und  geh eini, mach die Tür zu und: geht schon!

    W: Das heißt, du hast eine Ehrenrunde gedreht in der Schule.

    (Das österreichische Abitur, die Matura gibt's schon nach 12 Schuljahren)

    P: Na i hab die HAK (Handelsakademie) gmocht. Pass auf, des war... neun und vier ist dreizehn.

    W:  Das stellen wir  außer Streit. Wenn wir schon  einmal bei den Zahlen sind, gleich noch eine Gretchen-Frage. Wie gibst du dein Geld wieder aus?

    P: Ah du mit Geld schau des is so: i besitzt fast nix, i hob nur a paar Schuh und i kauf ma a net mehr. Und auf der Bank nimm i kane Zinsen. Auf der Bank sans  scho grantig gwesn und hom ma Kaffee und Zigaretten angeboten und ham g'sagt: Herr Poier, nehmans de Kreditkarten! I hab g'sagt, i wül keine Zinsen!  I waas net, für was i's vabrauchn sollt!

    Und jetzt mecht i zu Money-Maker (österr.TV-Sendung) gehen, kennst des? Waast eh, wo's Geld oba kummt von obn. Dann tat i mi einistelln bei Money-Maker und i tat ka Geld nehmen. Dann tat i mia das letzte Geld a no owa putzn und wann der dann fragat: Herr Poier warum hams nix gnomman!? Dann sagat i: danke, mir ham eh selber  daham!

     Und dann gangat i zur Vera (österr.TV-Sendung) und de dat ma dann vül mehr bieten, wie i bei Money-Maker verdient hätt.

    W:  Was sagt der Steuerberater dazu?

     P: Investieren!  Der Steuerberater sagt:  unbedingt investieren! Und die Eltern sagn: jetzt muasst dranbleiben. Und die Eltern ham recht.

    W: Das heißt also, du könntest einen Vermögensberater einsetzen, der dein Geld in neuen Aktien oder in konventionellen Werten anlegt.

    P: Ja, i möcht  mit mein' Geld Mac Donalds Aktien kaufen. Weil Mac Donalds macht ja die Kultur kaputt und i hab ma denkt: i kauf ma Mac Donalds Aktien und des Geld was i dann mit Mac Donalds verdien, spend i dann Organisationen wie Greenpeace, de was gegen Mac Donalds arbeiten. Weil dann arbeiten die weltgrößte Firma und die besten Manager gegen sich selber und se kennan gar nix tun!

     Dann brauch i mi net schamen, wenn i zu Mac Donalds geh, weil auf Tournee - waast e selber - geht's oft schnell! Dann steigen meine Aktien und  dann verdient Greenpeace no mehr!

    W:  Alf Poier will doch die Welt verändern!?

    P:   Na, schau, es is immer schwierig, i kann den Zettel hin und her schieben und sagen: jetzt hab i die Welt  schon verändert. Die verändert sich ja selber, alles fließt...

    W:  Aber gerade dieses MacDonalds - Greenpeace-Modell ist doch ein Weltveränderungsmodell?

    P: Na , schau: entweder es verändert sie alles gleichzeitig  oder man kann sagn: es bleibt immer alles gleich! Der Widerspruch is in der Philosophie, oder in meinem Leben zumindest ein fixer Bestandteil. Wir erkennen die Welt ja nur in Widersprüchen.

    In der modernen Physik, in der Teilchenphysik kommt ma mit der aristotelischen Logik nicht mehr weiter. Der Aristoteles sagt, a Glasl steht do oder es steht net do. Und in Indien sogt ma, des steht do und gleichzeitig is es weg.

    Die Teilchenphysiker  müssen jetzt umdenken, weil sonst kennen sie sich nimmer aus.

    W: Wenn mich jemand fragt, ob mein Kabarett etwas verändert, dann sage ich: Ja. Mich hat es verändert. Wie würdest du diese Frage beantworten?

    P: Jo, klar veränderts mi! Aber mi hat die Arbeit früher genauso verändert. Wenn i früher an Kasten aufitrag'n hab, hat`s mi a verändert. Und des Kabarett verändert mi ah.

    Aber mir geht`s net so um die Veränderung, mit geht's mehr um folgendes:  i hab früher in einer Höhle g'lebt. I wollt ja alles wissen und alles probieren. Nur dann wird's ma wieder langweilig; was tu i denn durt! I muss was künstlerisches schaffen, weil mir fehlt in der Welt noch was und des schaff i mia. Als Künstler muss ma halt was schaffen, damit ma  die Welt für sich vervollständigt. Und so mach i mich a bisserl mehr ganz.

    W:  Eine Frage zum Programm: Ist das ein organisch gewachsenes Programm, oder ist das so eine Art Mosaik, wo ein Stein neben den anderen gesetzt wird oder eine Art Lotterie, wo man das ganze durchschüttelt.  Wie entstehen deine Programme?

    P: Ja, des dauert meistens zwa, drei Jahr, weil i imma nachdenk und imma was überleg, dann siech i wieder was und dann hab i Grundgedanken, die mi sowieso interessieren; -  einmal bin i um Mitternacht oder zwa in der Früh aufgstanden und hab a Schachtel kreuz und quer durch's Zimmer zog'n. Und dann hat mei Freundin g'fragt, warum i des tu, und i hab g'sagt, weil i die Möglichkeit hab! 

    I hab soviel Fragen und soviel Sachen, wo i mit net auskenn und des probier i und dann denk i immer nach. Dann komm i automatisch wieder auf neue Ideen, z.B. über Bewegung  - da fahr i mit dem Radl in der Nacht. Und dann siech i, des Licht fohrt vorn mit Lichtgeschwindigkeit davon beim Radl, des fohrt mit 300.000 km pro Sekundn  aussi und i fohr hinten mit dem Radl mit 30 km nach! Dann denk i mia, bei der nächsten Kurven hab i's schon wieder! Und des denk i ma, des muss i dann  erzählen! Dann kommt ma vor, wie eigenartig die Welt ist! I wunder' mi über die Welt!

    Die Leut sogen oft von der christlichen Erziehung her, der Glaube kann Berge verändern, aber das kann a Atombomben auch! Also brauch i nix glauben.

    Das interessiert mi halt: kann man sich im Leben wo anhalten oder net!? Du hältst dich an im Autobus und irgendwo steht dort "Halten verboten"! Und was is dann?

    Gibt's Werte!? Des interessiert mi, weil es ist ja eine Zeit der Wertekrise.

    W: Alf Poier du bist ein Mensch, der das Leben auf der Bühne und das Leben vor, hinter und nach der Bühne nicht voneinander trennt.

    P: Na,i bin immer privat. Beim Schlafen gehen, beim Einkaufen, i fühl mi immer privat und hab ja deshalb immer a Arbeit g'sucht, wo i net sog: jetzt tu i arbeiten und dann hab i Freizeit. Arbeiten und Leben muss eins sein! Du arbeitest 8 Stunden jeden Tog und wenn du des alles zusammen zählst im ganzen Leben, wie viel hast dann wirklich g'lebt? Dann musst noch essen, dann musst noch die Kinder in die Schul führen und dann hast vielleicht auf d' Nacht jeden Tog a Stund frei, und dann hast insgesamt 10 Johr g'lebt und da wär jeder traurig, wenn er mit 10 Johr sterben tat!

     Und die Leut haben mi immer ang'log'n. De ham immer g'sagt, ihr Arbeit g'follt eahna so! Und dann ham's immer auf die Uhr g'schaut! Dann hab i ma gedacht, wenn ihnen die Arbeit g'fallt, warum schaun's dann auf die Uhr, warum kumman de net am Sunntag eina, warum bleim's  net bis 6 Uhr auf'd Nacht do? Und dann hab i ma denkt, de lügn! I hab  aber nix g'sagt, bin  gangen und hab ma an andern Job g'sucht.

    W: Du hast ja sehr viele verschiedene Berufe ausgeübt, bevor du auf die Bühne gestiegen bist. Hat dir das geholfen bei deiner Arbeit?

    P: Ja das war mei Ausbildung. I hab  als Nachtwächter und als Möbelträger gearbeitet und hab  vül g'lernt. Zum Beispiel, wenn i im Büro g'arbeitet hab, ham's ma zahlt - schwarz, gell!- 120 Schilling in der Stund (17 DM), und wenn i Möbeltragen hab, hams ma zahlt 100 Schilling (14 DM). Im Büro muss i erstens denken, also geistige Arbeit plus Maschinschreiben oder Computer, des is körperliche Arbeit, für des hob i 120 kriagt. Da hab i mir gedocht, wenn mei Denken nur 20 S. (3 DM) Wert is, dann tu i nur mehr Kasten tragen. Dann hab i nur mehr körperlich g'arbeitet und hab  mia den ganzen Tog denkt, was i wollt.

    W : Viele Leute verdienen mehr als sie verdienen. Und viele Leute verdienen viel weniger, als sie verdienen,  obwohl sie sehr hart arbeiten. Verdient Alf Poier das,  was er verdient?

    P: Boah, i hab  mi schon oft gschreckt! Es is schon super! I hab 10-15 Johr nix vadient, i hab nit amol a Versicherung g'habt, gar nix! I bin ins Spital g'fahrn und hab nit g'wußt, wie i das zahlen soll!  I hab soviel Johre nix verdient und jetzt verdien i halt oft an einem Abend  mehr als früher in zwa , drei, vier Monat!

    Obwohl,  wenn i's net verbrauchert, dann erbt's eh wer. Es kommt immer unter die Leut irgendwie. I denk a viel nach, ob ma Spenden muss und hab oft a schlechtes Gwissen aa!

    Aber i hab immer no  ka Dusch' zum Beispiel! I hab a Wohnung ohne Dusch', wo die Nachbarn beim Fenster, also vorn bei der Tür einischau'n. I sitzt in an Wandl drin und wasch mi. Da locht mi jeder aus und sogt: du spinnst ja komplett! Wie lebst du jetzt noch!?

    W:  Ich erinnere mich an eine Gespräch, das wir vor längerer Zeit geführt haben. Damals hast du gesagt, im Moment geht's dir gut, aber du weißt auch, das es jederzeit wieder aus sein kann.

    P: Ja genau, des waas i immer. Ma derf sie net festhalten. Viele Kollegen sogen oft,  mein Gott!, was soll i denn sonst mochen!?  Und i sog: i kann z'sammenkehren, i kann was putzen, i kann irgendwo a Radl drauf schrauben oder was abwischen.  Oder mit der Maschin schreiben, - Autofahrn.  I kann eh vül, und dann denk i ma; wenn des nimma is, was i mach, wenn des kana wüll, dann mach i was anders wieder.

    W: Alf Poier ist auf der Bühne erfrischend unberechenbar. Im Umfeld des Kabaretts musst du aber berechenbar sein. D.h. wenn du einen Termin hast  in Köln oder in  München, dann musst du um 20 Uhr auf der Bühne oder vor der Kamera sein. Ist das für dich ein Widerspruch oder geht das reibungslos?

    P: Na, das is mir wichtig, dass i pünktlich bin.

    Mi wundert halt nur de Welt immer; weil du fahrst mit an Auto unter an Vogel durch irgendwo, es fliegt alles, alles bewegt sich, alles draht sich. I bin halt sehr verwundert. Und a Uhr is ja so g'sehn, was praktisches und da bin i schon genau. I mag des net wenn wer unpünktlich is, des mag i überhaupt net.

    Obwohl, schau, also ma fragt  sich immer wie a Schneekristall entsteht, der hat soviel Atome und die  bilden an schönen Stern. und dann fragt man sich, wie jedes Atom weiß, das es genau zan gewissen Punkt durt sein muss, damit's a Stern wird.

    Alle Menschen auf der Welt bilden a Musta, du könntest alle Menschen mit an Schnürl verbinden, da warad a schön's Musta.

    Und dann miassat i mi fragen,  weiß i, wann i heut um 10 nach 7 in dem Wirtshaus in dem wir jetzt sitzen, ob des Musta stimmt?

    Und deshalb bin i pünktlich.

    W: Zur Zeit spielst du dein Programm "Zen". Wann gehst du auf  Kreativurlaub?

    P: Im Herbst gibt es das neue Programm. Ich spül jetzt ja in ganz Deutschland und  der Schweiz, i spül an der französischen Grenz, i spül in Berlin , i könnt des Programm noch 2 Johr mindestens vor ausverkaufte Häuser überall spielen. Nur, man wüll sich ja entwickeln. Net ausrasten; man muss ja was tun, dass was weiter geht.

    W: Das heißt, du hast genügend Ideen und Skizzen für das neue Programm?

    P: Ja a Schachtel voll hab i schon.

    W: Gibt's schon einen Titel?

    P: "Mitsubischi" möcht i'des nennan.

    W: Was sagt die gleichnamige Firma dazu?

    P: Des wiss ma net, des miass ma erst no fragen, miass ma erst ausmachen.

    W: Also mit oder ohne "subischi" auf jeden Fall kommt ein neues Programm. Wo ist die Premiere?

    P: Im November im Theater Kulisse, Wien.


    Hinweis: Ausser in der Kulisse ist Alf Poier am 7.12.01 auf dem Humorfestival in Arosa sowie vom 2. bis 6.04.2002 im Lustspielhaus München zu Gast. Weitere Termine unter www. alfpoint.at


    2001-12-15 | Nr. 33 |





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