Der Rheinländer – das wissen wir aus Jürgen Beckers „Biotop für Bekloppte“ oder Rainer Pauses „Tod im Rheinland“ – empfängt einen Teil seines Lebensnervs von den „Immis“, den Auswärtigen, die es aus irgendwelchen Gründen an den Rhein verschlagen hat. Römer, Franken, Franzosen, Preußen, amerikanische Besatzer wurden so allesamt Teil eines kollektiven Mythos, der bis heute fortlebt. Das Herbstprogramm an den rheinischen Kleinkunstbühnen zeigt dies überdeutlich, denn auch hier sorgen vielfach Gäste aus fremden, außerrheinischen Welten für die großen Höhepunkte. Etwa der Halbbrite Ken Bardowicks, der nach seinen „defekten Effekten“ nun mit „Magic and Comedy“ ein weiteres Programm ausgetüftelt hat, in dem Zauberkunststücke und subtile Späße ineinander übergehen; es wird Anfang Dezember im Stollwerck zu bestaunen sein. Oder Robert Kreis aus den Niederlanden, der im Senftöpfchen mit einem „frivolen Grammophon“ für Entzücken sorgen will. Und dann wäre da noch eine besondere Volksgruppe zu begutachten, die dem Rheinländer fremder ist als Briten und Niederländer zusammen: die Ostwestfalen. Bernd Gieseking wagt Anfang Oktober das Experiment, das Publikum der Comedia mit gleich vier Exemplaren dieser Species zu konfrontieren, nämlich mit Erwin Grosche, Wiglaf Droste, Dietmar Wischmeyer und ihm selbst. „Ostwestfalian Alien – Ein Landstrich schlägt zurück“ heißt das im wahrsten Sinne des Wortes einzigartige Projekt, denn mehr als ein Abend ist nicht eingeplant; der allerdings wird vom WDR aufgezeichnet und so für die Nachwelt konserviert.
Aus Ostwestfalen stammt auch die durch die Strathmann-Show mittlerweile bundesweit bekannte Dagmar Schönleber; im Herbst präsentiert sie im Klüngelpütz ein neues Programm, dessen Ausgangspunkt ähnlich wie bei Sia Korthaus (siehe unten) ein Stück Kleinkunst-Schizophrenie ist. Schönleber begleitet sich nämlich selbst durch die ganze Show, die deshalb den etwas irritierenden Titel „Zwei wie ich“ trägt. Nach pathologischer Vervielfältigung klingt auch der Titel einer weiteren Uraufführung: „Multiple Sarkasmen“ heißt das Solodebüt des bislang vor allem als Fernseh-Comedy-Autors hervorgetretenen Moritz Netenjakob, das eine Verbindung von Stand-up, Sketchen, Lesung und Musik verspricht und ab Oktober im Eifelturm zu sehen sein wird. Sein erstes Soloprogramm präsentiert auch Holger Edmaier, der allerdings als der ehemals weiblichere Teil von Duotica schon einiges an Bühnenerfahrung auf dem Buckel hat: Ab Ende Oktober kann man im Atelier-Theater an seiner Seite „Verliebungssüchtig“ werden. Etwas ganz Neues startet im Klüngelpütz ab Ende Oktober: Der vom überreichen städtischen Kulturangebot erschlagene Besucher wird hier alldonnerstäglich im Rahmen einer „Kultursafari“ an die wöchentlichen Highlights der Kölner Szene herangeführt. Die Kleinkunst als Wegweiser und Brücke zu anderen, „größeren“ Kunstformen? Das klingt spannend, dürfte aber keine leichte Aufgabe sein. Zumal allein das Kulturangebot im Kleinkunstbereich selbst in diesem Herbst schwer zu überblicken ist. Die Kleinkunst-Hochkonjunktur setzt sich in diesem Jahr bis in die Vorweihnachtszeit fort, welche diesmal vor allem eine Zeit der Paare ist. Da sind zum einen Andreas Etienne und Michael Müller, die sich im Springmaus-Theater als „Nachbarn on Ice“ ein letztes Mal bekriegen – eine mutige, aber folgerichtige Derniere, denn die Maschendrahtzaun-Moritaten der beiden Streithanseln waren am Ende doch ziemlich ausgereizt. Im Atelier-Theater kommt es zu einer weihnachtlichen Doppelpaarbegegnung der besonderen Art: P. Laste & E. Laste versammeln sich mit den Lottis unterm Weihnachtsbaum; der drohende Titel „Vom Umtausch ausgeschlossen“ wird hoffentlich niemanden vom Kartenkauf abhalten. Die spektakulärste Weihnachtsbegegnung jedoch ist sowohl im Pantheon als auch im Senftöpfchen zu sehen. Hier kommt es zu einem Wiedersehen mit einem Paar, dessen Einzelbestandteile seit vielen Jahren erfolgreich auf Solopfaden wandeln. Mark Britton und Krissie Illing erleben als Nickodeon in „Christmas Dinner for Two“ eine sicher von vielen Zuschauern lang erwartete Reunion. Und da sind sie wieder, die Immis, ohne welche die rheinische Kleinkunstszene eine traurige Truppe wäre – und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Redaktion: Guido Bee
Atelier-Theater, Köln
ab 31.10. Holger Edmaier: Verliebungssüchtig
ab 9.12. Plaste Elaste und die Lottis: Vom Umtausch ausgeschlossen
Comedia, Köln
8.10. Droste/Gieseking/Grosche/Wischmeyer: Ostwestfalian Alien
Eifelturm, Köln
ab 12.10. Moritz Netenjakob: Multiple Sarkasmen
Klüngelpütz, Köln
ab 21.10. Dagmar Schönleber – Zwei wie ich
ab 26.10. Grüner Donnerstag – Kultursafari
Pantheon, Bonn
ab 15.10. A-cappella-Festival
Senftöpfchen, Köln
ab 24.11. Robert Kreis: Das frivole Grammophon
ab 5.12. Nickelodeon: Christmas Dinner for Two (auch im Pantheon ab 17.12.)
Springmaus-Theater, Bonn
ab 10.12. Andreas Etienne, Michael Müller: Nachbarn on Ice
Stollwerck, Köln
ab 9.12. Ken Bardowicks, Magic and Comedy