Januar und Februar zählen am Rhein bekanntlich zu jener fünften Jahreszeit, die das Leben der Menschen in der Region so nachhaltig prägt: zum Karneval eben. Trottoir erlaubt sich in diesem Jahr den Scherz, den Karneval einfach mal zu übergehen, auch den alternativen. Schließlich hat die Region selbst in den tollen Tagen noch einiges anderes zu bieten.
Überblickt man die Ankündigungen der rheinischen Bühnen für das erste Quartal 2007, fällt vor allem eines auf: Die Kleinkunst, die ja noch nie für den Elfenbeinturm gedacht war, ist mittlerweile fest in den allgemeinen Medienverbund integriert. Die Medien kommen an der Kleinkunst nicht vorbei und die Kleinkunst nicht an den Medien. Besonders in Köln, wo der WDR den Kabarettisten und Comedians immer schon eine dankbare Heimstatt bot. Natürlich denkt man hier in erster Linie an die großen Erfolgsformate wie die Radio-Show „Unterhaltung am Wochenende“ oder Fernsehknaller wie „Mitternachtsspitzen“ und „Night Wash“. Aber damit nicht genug. Die Beliebtheit der Kleinkunst bei Hörern und Zuschauern scheint dazu zu führen, dass der Sender seinen Kleinkunstanteil beständig ausbaut. Derzeit gibt es gleich zwei künftig regelmäßig laufende Programme aus rheinischen Kleinkunststätten zu vermelden: Wilfried Schmicklers und Peter Zudeicks allmonatlich im Eifelturm stattfindender „Politischer High Noon“ wird seit dem 26.11. vom WDR aufgezeichnet und in der Sendung „Streng öffentlich“ auf WDR 5 ausgestrahlt. Norbert Alich und Rainer Pause, besser bekannt als die Pantheon-Matadore Hermann Schwaderlappen und Fritz Litzmann, präsentieren künftig monatlich die Fernsehshow „Fritz und Hermann“, offensichtlich nach dem „Strathmann“-Prinzip mit Stammpersonal (Gerburg Jahnke als Barfrau, Fatih Cevikkollu als rheinisch sprechender Türke) und prominenten Gästen.
Die Beziehung zwischen Kleinkunst und Massenmedien ist allerdings keine Einbahnstraße, sondern funktioniert auch umgekehrt, indem die Medien fester Bestandteil des thematischen Repertoires von Comedy und Kabarett geworden ist. Hierfür liefert das Frühjahrsprogramm 2007 einige Beispiele. So huldigen Sabine Pass und Ralf Gscheidle in einem neuen Programm im Stollwerck dem UFA-Filmstar Zarah Leander – man darf gespannt sein, wie deren Lieder klingen, wenn sie mal nicht von einem Travestie-Spezialisten nachgesungen werden. Serdar Somuncu macht im Pantheon das laut, was leider jeder Dritte leise erledigt: BILD lesen. Wie man Somuncu kennt, dürfte das ein Programm werden, an dem vermutlich auch Günter Wallraff und Heinrich Böll ihre Freude hätten, und das Motto „Bild Dir Deine Meinung“ hätte endlich einmal seine Berechtigung. Jutta Nitschke und Hilde Vesen lassen im Atelier-Theater in „Travestie verkehrt“ aus Film und Fernsehen bekannte Traummänner alten Schlags wie Placido Domingo, Dean Martin und Peter Alexander in neuem Glanz und mit leicht femininem Touch auf der Bühne erstrahlen. Und im Klüngelpütz veranstalten Lüder Wohlenberg und Thilo Seibel unter dem Motto „Du bist Hollywood“ ein Film-Happening der besonderen Art. Kabarettisten sehen sich hier genötigt, Filmausschnitte mit neuen Dialogen zu versehen, Schlüsselszenen mit verkehrten Rollen darzustellen oder gar einen Film auf der Bühne in ein anderes Genre zu transportieren – ein cineastisch-kabarettistischer Härtetest der besonderen Art. Auch das zweite Solo von Tommy Engel kommt nicht ohne einen massenmedialen Bezug aus: Der Ex-Black-Föös-Star unternimmt einen Ausflug in die Welt der TV-Kochshows – da passt es gut, dass ein anderes Kölner Urgestein, Alfred „Alfredissimo“ Biolek, derzeit durch die Lande tourt, um auf der Bühne sein „Theater mit dem Fernsehen“ näher zu erläutern.
Etwas traditioneller stellt sich der Medienwechsel bei einem anderen Altmeister dar: Konrad Beikircher zieht es wie schon öfter in der Vergangenheit nicht zu Film, Funk und Fernsehen, sondern zur Musik. Der Wahl-Bonner macht sich – mit seinem Seitenblick auf „den großen Sohn der Stadt Bonn schlechthin“ – im Senftöpfchen an die „Rheinische Neunte“, wobei die Neun hier in erster Linie für die Zahl der Kabarettprogramme steht, in denen sich Beikircher in den letzten 15 Jahren der rheinischen Mentalität widmete. Ebenfalls im Senftöpfchen steht im März eine interessante Premiere ins Haus: Das in Köln ansässige Trio Männerkulturen präsentiert sein neues Programm „Ich Ich Ich“ – ein Titel, der irgendwie auch voll zur Mediengesellschaft passt. Schließlich wartet noch der nicht nur als Kabarettist, sondern neuerdings auch als Nebendarsteller in WDR-Tatorten bekannte Heinrich Pachl mit einem neuen Programm auf, das ab März im Eifelturm zu sehen sein wird. Ein Titel stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht fest. Medienprofis wie Pachl setzen eben auf Aktualität.
Redaktion: Guido Bee
Atelier-Theater, Köln
20.3. „Travestie verkehrt“ – Jutta und Hilde
Bürgerhaus Stollwerck, Köln
12.1. „Ach, sprach Zarah Leander“ – Sabine Paas, Ralf Gscheidle
Eifelturm Köln
15.3. Politisches Kabarett – Heinrich Pachl
Klüngelpütz, Köln
7.1. „Du bist Hollywood“ – Thilo Seibel, Lüder Wohlenberg u. a.
Pantheon, Bonn
12.3. Serdar Somuncu liest Bild
Senftöpfchen, Köln
15.1. „Die Rheinische Neunte“ – Konrad Beikircher
12.2. „Das neue Solo“ – Tommy Engel
16.3. „Ich Ich Ich“ – Männerkulturen
2006-12-15 | Nr. 53 | Weitere Artikel von: Guido Bee